20120610

Emil Fuchs: Evangelium nach Matthäus

Es dauert nun nicht mehr lange, und der erste Band der "Quäkerbibel" wird nach jahrelanger Vorarbeit erscheinen:

Claus Bernet / Klaus Fuchs-Kittowski (Hrsg.)
Emil Fuchs: Das Evangelium nach Matthäus
Eine Auslegung des Evangeliums im Kontext von Verfolgung und Widerstand (1933–35)
Hamburg 2012, 600 Seiten,
ISBN 978-3-8300-6434-3

Es handelt sich um das Evangelium nach Matthäus, also eines der vier kanonischen Evangelien des Neuen Testaments der christlichen Bibel. Diese Schrift enthält zentrale Passagen zur Feindesliebe, zur Bergpredigt, zum Vater Unser und zum Weltgericht. Immer wieder haben sich bedeutende Theologen bis heute mit diesem vielschichtigen Text auseinandergesetzt, so Bernhard Weiß, Erich Kloster­mann, Ernst Lehmeyer, Eugen Drewermann, Rainer Kampling – und so auch Emil Fuchs im Jahre 1933/34.
Emil Fuchs gehörte zu den allerersten Pfarrern in Deutschland, der Mitglied der Sozialdemokratie wurde. Er gehört mit Leonhard Ragaz (Schweiz) und dem frühen Karl Barth zu den Mitbegründern der Bewegung der Religiösen Sozialisten. Mit ihrem akademischen Vertreter, Paul Tillich, stand er in engem Kontakt. Die  Religiösen Sozialisten gehörten mit zu der Ersten, die vor der Gefahr des Faschismus in Deutschland warnten. Emil Fuchs wurde 1933 seine berufliche Position als Hochschullehrer genommen und er hatte privat schwerste Schicksalsschläge zu bewältigen. Er ging aber nicht ins Ausland und auch nicht in die innere Emigration, sondern er leistete aktiven Widerstand. So hielt er die Verbindung zu den Widerstands­kämpfern Ernst von Harnack und Bernhard Göring, betätigte sich bei den Quäkern und arbeitete intensiv an seiner Auslegung des Neuen Testamentes sowie an seiner Lebensbebeschreibung. Durch seine Beziehungen zu den englischen und amerikanischen Quäkern, der Gründung eines Autoverleihs, konnte er im Zusammenwirken mit dem Gefängnispfarrer von Plötzensee und Tegel, Harald Poelchau, sowie dem Probst in Berlin, Heinrich Grüber, Juden das Leben retten und politisch Verfolgten zur Flucht verhelfen. Nach dem Krieg bzw. im Kalten Krieg engagierte sich Emil Fuchs in der Friedensbewegung, insbesondere in der von ihm mit gegründeten Pager Christlichen Friedenskonferenz, in enger Beziehung zu Albert Schweitzer, Martin Niemöller und Josef L. Hrom`adka.



Das zentrale Werk von Emil Fuchs, welches zwischen 1934 und 1945 entstand, ist eine kommentierte Neuübersetzung des Neuen Testaments aus dem Griechischen. Er arbeitete intensiv an dieser Auslegung des Neuen Testaments, auch um in dieser Zeit des Schreckens die Quäker und religiösen Sozialisten zusammenzuhalten.
Mit dem Band zum Matthäusevangelium wird hier erstmals ein Text vorgelegt, der eindrucksvoll belegt, dass Menschen in tiefster Not Kraft finden, Großes und Wertvolles zu leisten. Gleichzeitig ist es eine Arbeit, die in verständlichen Worten auch von Lesern ohne theologische Bildung gelesen und verstanden werden kann. In der Anlage dürfte diese Exegese einzigartig sein, denn sie verbindet den Originaltext in deutscher Über­setzung mit Passagen des Quäker-Gründers George Fox. Diese betreffen zum einen Zeitüberlegungen zu Friedens- und Gesellschaftsfragen, zum anderen aber universelle ethische Überlegungen, die heute genauso ihren Wert haben wie gestern und morgen. 

Quäker-Praktikum in London

"Praktikum" ist heute die ganz normale Form der Ausbeutung geworden. Leider sind auch die Quäker von dieser bedenklichen Erscheinungsform nicht frei, wenngleich es bei ihnen nicht ganz so hart zugeht wie anderswo - das entnehme ich zumindest einem Praktikumsbericht von Tabea im Londoner Quaker-House.



Online-Trauer jetzt auch für Quäker: John Dalton ist der erste.

Sachen gib's, die gibt's gar nicht. Die letzte Kuriosität habe ich hier gefunden. Es ist eine "Gedenkseite" für den Quäker John Dalton, ein Naturwissenschaftler, mit dem ich mich auch schon einmal beschäftigt hatte. Man kann auf der Seite ein virtuelles Kerzlein hinzufügen, ein paar Sprüche ins Kondolenzbuch setzen oder sich von der Musik in Trauerstimmung bringen lassen.

Ehre wem Ehre gebührt: Gerhard Wieding

Quäker werden gerne geehrt und lassen sich durchaus auch einmal gerne ehren. Jetzt hat Dr. Gerhard Wieding aus Bückeburg das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhalten, u.a. für "Leistungsbereitschaft und Disziplin". Wer mehr über die Ehrungsfeier lesen möchte, kann dies auf der Seite der Deister- und Weserzeitung unter dem Titel "Bleibende Werte und Kompetenzen vermittelt - Verdienstkreuz für Dr. Gerhard Wieding / „Ohne Menschen wie Sie wäre unsere Gesellschaft ärmer" tun.

Quäker-Hilfe: Afrika, Hlekweni-Ausbildungszentrum

"Gemeinsam für Afrika" berichtet kurz über das Hlekweni-Ausbildungszentrum, welches von der deutschen Quäker-Hilfe unterstützt wird. Man kann dort auch ein Video zu dem Projekt ansehen (in Englisch).

"Mit dem Hlekweni-Ausbildungszentrum bietet die Quäker-Hilfe Stiftung Jugendlichen gezielte Ausbildungsmöglichkeiten sowohl in der Landwirtschaft, als auch in technischen und sozialen Berufen. Jede Schülerin und jeder Schüler durchläuft während ihrer/seiner Ausbildung zwei Stationen: Nach der Aneignung theoretischen und praktischen Wissens im jeweiligen Schwerpunktgebiet, belegen die Auszubildenden ein drei- bis sechsmonatiges Praktikum (...). Die Quäker-Hilfe Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht hat, aktiv gegen die Ursachen von Armut, Krankheit, Gewalt, Benachteiligung und Heimatlosigkeit vorzugehen. Wie auch beim Hlekweni-Projekt begleitet die Quäker-Hilfe Stiftung ihre Projekte intensiv und unterstützend bis es den lokalen Partnern möglich ist, die Vorhaben selbst zu tragen und aus eigener Kraft weiter zu betreiben".

Quäker der Woche (22): John Woolman, der Mystiker

John Woolman wurde auf einer Plantage in Rancocas (West Jersey) geboren. Das war am 19. Oktober 1720. Er gehörte zur dritten Generation derjenigen Einwanderer, die England wegen des Verbannungsediktes aus der Zeit Charles II. (1630-1685) verlassen mussten. Sein Vater war Samuel Woolman (1689-1750), seine Mutter Elizabeth (Burr) Woolman (1695-1733). Er wuchs in einer großen Familie unter zwölf Geschwistern auf. Ab 1727 besuchte er die örtliche Dorfschule, und seit dieser Zeit hatte er die ersten Gesichte und prophetischen Eingaben. Sie sollten ihn bis zum Ende seines Lebens nicht mehr verlassen. Als Schüler zog er sich oftmals zurück und las in der Schrift, vorzugsweise in der Apokalypse. Das Bild des Himmlischen Jerusalem ergriff ihn während des Lesens in einer mystischen Schau, er sollte sein Leben lang auf der Suche nach dieser Gottesstadt sein. Doch zunächst verlebte er von 1736 bis 1740 wilde und zügellose Jahre, die seiner Gesundheit sehr abträglich waren. 1740 verließ er die elterliche Plantage, um in einem Geschäft in Mount Holly am Delawarefluss als Sekretär zu arbeiten. Er versuchte sich in den verschiedensten Berufen, arbeitete zeitweise als Bäcker, Buchhalter, Lagerverwalter, Kaufmann, Notar, Landvermesser, Schulmeister und Farmer. Nebenher betätigte er sich im Obstanbau und dem Aufbau einer kleinen Baumschule.
Zeichnung, die als authentisches Bild von Woolman gilt.

20120603

Öfter mal Lächeln?!

Gesehen am Sonntag auf dem Weg zur Andacht:


5. Frauen-Geschichtstag am 16.6.2012 widmet sich Elisabeth von der Pfalz

Sie war eine Prinzessin, eine Philosophin und Äbtissin der Herforder Fürstabtei. Elisabeth von der Pfalz gilt als eine der gelehrtesten Frauen ihrer Zeit im 17. Jahrhundert. Ihr Wirken ist jetzt das Thema des 5. Herforder Frauen-Geschichtstags am 16. Juni 2012. So wird die Geschichtswerkstatt Herford nun zum fünften Mal das Lebensumfeld einer bedeutenden Frau - Elisabeth von der Pfalz - vorstellen, um sie im Rahmen eines ganzen Geschichtstages in Erinnerung zu rufen. So wurde auch schon Königin Mathilde oder Gertrud II. zur Lippe nachgespürt, die beide ihre Spuren in Herford hinterlassen haben.
Viele Wochen haben vier Frauen der Geschichtswerkstatt - Angelika Bielefeld, Ella Kraft, Ingrid Otterpohl und Lore Wörmann - die Veranstaltung am 16. Juni vorbereitet. Es ist zu wünschen, dass bei einer solch intensiven Vorbereitung sich auch zahlreiche Teilnehmerinnen einfinden.
Die Äbtissin Elisabeth lebte von 1618 bis 1680. 1667 wurde sie als Fürstäbtissin in der Herforder Reichsabtei eingesetzt. Durch ihre vornehme Herkunft hatte sie Kontakte zu vielen Persönlichkeiten wie den Philosophen René Descartes, den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz - und den Quäker und Theologen William Penn. Sie zeigte große Toleranz gegenüber Andersgläubigen, sprach acht Sprachen und war eine große Briefschreiberin.
Elisabeth von der Pfalz wird während des Frauen-Geschichtstags in ihrer Zeit, in ihrem Wirken und Leben vorgestellt. Mit der Veranstaltung will man den Blick auch auf die Grabstelle der bekannten Äbtissin richten: Sie hat ihre Ruhestätte im Chor der Münsterkirche gefunden. Angelika Bielefeld: "Das erfährt man jedoch nicht gleich, denn die Inschrift der Grabplatte ist doch schon arg verwischt". Deshalb hoffen die Frauen mit dem Geschichtstag auch auf eine Initialzündung und Sponsoren, die für ein neues Hinweisschild in der Kirche sorgen könnten. Ermöglicht wird der Tag durch die Volkshochschule im Kreis Herford, die Gleichstellungsstellen der Stadt und des Kreises Herford sowie durch die Kirchengemeinde Herford-Mitte.
Als Referentinnen konnten die Herforder Museumsleiterin und Historikerin Sonja Langkafel und die Paderborner Professorin Dr. Ruth Hagengruber gewonnen werden. Letztere hat sich in ihrem Buch "Von Diana zu Minerva" ausführlich mit den philosophierenden Aristokratinnen des 17. und 18. Jahrhunderts beschäftigt.

Stellvertreter

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Schwule Moslems finden Asyl bei Quäkern


Eine weltweite Rarität dürfte eine Mini-Gruppe Homosexueller sein, die Schutz bei den Quäkern in Washington gefunden haben. Der ganze Text findet sich im Spiegel und versteht sich wohl als frommer Beitrag zum Sonntag (hätte aber, da es um Moslems geht, eigentlich am Freitag gebracht werden müssen). So ist zu lesen: "Daayiee Abdullah sitzt draußen vorm noch verschlossenen Haus auf einer kleinen Steinbank und wartet. Hinter der Bank lehnt eine Leiter an der Wand, sie führt zu einem Fensterrahmen ein paar Meter weiter oben. Dort hantiert ein Maler mit weißer Farbe, direkt über ihm. Abdullah sorgt sich nicht (...). Daayiee Abdullah ist Imam. Und er ist schwul. Abdullah gehört zu den “Muslims for Progressive Values” (MPV), einer Gruppe liberaler, gläubiger Muslime, die sich vor sechs Jahren zusammengefunden hat. Ihre Überzeugung: Männer und Frauen haben im Islam die gleichen Rechte, sie beten gemeinsam, auch Frauen dürfen das Gebet leiten; Schwule und Lesben sind willkommen, bei Imamen wie Daayiee Abdullah können sie heiraten.

Quäker in Gießen

Eine Kurzmeldung informiert darüber, dass die Quäker in Gießen jeden zweiten Sonntag Andacht halten, und zwar zu einer sicherlich vielen Studenten und Berufstätigen sehr genehmen Zeit, nämlich um 19 Uhr.

Ort: Evangelische Studierendengemeinde Gießen
Henselstr. 7
35390 Gießen
Telefon: 0641-76 75 7
E-Mail: info@esg-giessen.de

Eine Quäkerandacht in Holland im Jahre 1779

Nach und nach werde ich viele in der Zeitschrift „Quäker“ von mir erschienen Texte auch in einer Onlinefassung anbieten – kostenlos und für alle frei zugänglich. Über die Vorteile einer Onlinepublikation hatte ich bereits berichtet. Ich beginne mit einem Text von 1999:

Eine Quäkerandacht in Holland im Jahre 1779

In einer Barockzeitschrift habe ich einen (anonymen) Brief gefunden, der den deutschen Lesern vor über zweihundert Jahren eine schweigende Andacht näherbringen sollte. In den Schriften zum europäischen Quäkertum ist der Brief nicht bekannt, daher stelle ich ihn hier in originaler Schreibweise vor. Briefe wie diese haben zur positiven Meinung über die Quäker viel beigetragen, nachdem man im Jahrhundert zuvor überwiegend abschätzig von der „Sekte“ schrieb. Der Ort des Geschehens, ein schmales Holländerhaus, wurde übrigens einmal im „Quäker“ abgebildet, nämlich in der 9. Ausgabe von 1932, auf Seite 88:

Hier der Originaltext in altertümlicher Schreibweise:

„Wir glaubten, daß man des Sontags am wohlfeilsten und bequemsten die Kirchen besehen könne, und liessen uns daher aus einer in die andere führen; eine etwas undankbare Mühe. Die besten hiesigen Kirchen bedeuten in Ansehung der Architektur nicht viel, und man findet auch schon in Deutschland, zumal in dem katholischen Theile, weit sehenswürdigere. Die dissidentischen Kirchen sind so verstekt, daß man sie ohneWegweiser nicht finden kan. Mehrentheils sind sie hinter den Häusern angebracht, und die auch an der Strasse liegen, haben doch vorn heraus eine Facade wie andere Privathäuser. Glokken und sogar Thürmer werden ihnen bekantlich nicht zugestanden. Die neue lutherische Kirche, eine der besten, hat indessen eine ansehnliche Kuppel, die einem Thurme ähnlich sieht. 
Am längsten hielten wir uns bei den Quakern auf. Am äussersten Ende des hinter einem Hause ganz abgesonderten Versamlungssaals sassen die Glieder der Gemeine, zehn an der Zahl, welche sich von vielen mitgegenwärtigen neugierigen Zuschauern, sowohl durch Kleidung als Gebärden, merklich genug unterschieden. Auf einer besondern etwas erhabenen Bank befanden sich zwei ältliche Männer, von welchen einer, wie man uns sagte, wahrscheinlicher Weise predigen würde. In der Versammlung herschte die tiefste Stille, welche blos durch das mit allerlei andächtigen Bewegungen begleitete Seufzen des einen der gedachten Männer von Zeit zur Zeit unterbrochen wurde. Die Bewegungen und Seufzer wurden immer lebhafter, bis sie nach Verlauf einer guten halben Stunde nach und nach wieder abnahmen. Ich besorgte schon, der heilige Geist würde uns diesmal zum besten haben, als er plötzlich desto mächtiger in dem andern werckte. Dieser erhob sich auch bald, legte seinen runden Hut ab, und hielt mit vielem natürlichen Anstande eine ganz erbauliche Rede von der Unmöglichkeit, ohne Beihülfe des Geistes Gottes etwas Gutes zu wirken. Nach Endigung derselben sezte er sich wieder nieder, und nun begaben wir uns hinweg, mit dem festen Glauben, daß hier mehr Andacht hersche, als in allen übrigen holländischen Kirchen, in welchen es ziemlich wild und unanständig hergeht. Bei den Quakern und einigen damit verwanten Sekten findet man vielleicht weit mehr wahres Christenthum, als bei irgend einer andern Religionspartei“.

(Quelle: Briefe aus Holland, Amsterdam dem 11ten Heumonat 1779. In: Deutsches Museum, 1781, S. 367-377. Erstveröffentlichung: Der Quäker. Monatsschrift der deutschen Freunde, 73, 8/9, 1999, S. 154.)