Der Saalhof war eine ehemalige Reichsburg der Staufer in der Frankfurter Altstadt nahe des Mainufers. 1604 bis 1610 wurde der Nordbau, der „vordere Bau“, für 13.000 Gulden errichtet. Bis 1697 war dieser ein kaiserliches Lehen. 1677, zu der Zeit, als die Quäker in Frankfurt auftauchten, hatte der Saal seine besten Jahre hinter sich und wurde von Patriziern als Wohnung und Lagerhalle genutzt.
Im diesem Saalhof trafen sich um diese Zeit regelmäßig einige Pietisten. Darunter befanden sich der Jurist Johann Schütz, die Studenten Otto Richardi, Johann Adolf Rhein und Johann Dieffenbach, der Literat Christian Fende und vermutlich auch der Arzt Dr. Johann Kißner. Ebenfalls dazu gehörten auch Johanna E. von Merlau und die verwitwete Maria Juliana Baur von Eyseneck. Letztere wohnte im Saalhof und hielt dort Räumlichkeiten für die Treffen bereit. Nach ihrem Versammlungsort wurden sie „Saalhofpietisten“ genannt, und, offensichtlich seit Anfang 1677 (also noch vor dem Eintreffen von William Penn) als „Quäcker“. Seit Advent 1676 hatten sich im Saalhof jeden Sonntagabend etwa zehn Personen getroffen. Die Gruppe selbst hat jedoch weder den Namen Saalhofpietisten noch den der Quäker verwendet. Es handelte sich bei der Gruppe keineswegs um einen Zusammenschluss einfacher Frankfurter, sondern um einen elitären Kreis aus dem Patriziertum und dem niederen Adel, der die Zeit für stundenlange Treffen hatte. Nur wer als wirklich fromm und gläubig galt, war hier willkommen. In ihrer Lebensweise und in ihren Glaubensansichten ergaben sich erstaunliche Ähnlichkeiten mit dem damaligen Quäkertum in England des 17. Jahrhunderts. In dem Kreis hatte die Gemeinschaft eine hohe Bedeutung, gegenseitiges Helfen, Ermahnung und Erbauung wurden ernst genommen, vielleicht etwas zu ernst. Laien und Frauen konnten hier die Bibel lesen und sich über ihre Glaubenserfahrungen austauschen. Besondere Bedeutung hatte die Lehre vom inneren Licht und vom Perfektionismus. Ab 1682 nahm dieser Kreis nicht länger an den Gottesdiensten der lutherischen Amtskirche teil, wurde aber auch keine feste Institution, sondern verschwand sang- und klanglos im Nirgendwo.
Am 18. August 1677 waren William Penn, George Keith und Benjamin Furly in Frankfurt eingetroffen. Sie hatten zuvor Herford, Paderborn und Kassel bereist.
William Penns Deutschlandtour 1677.
Rot: erste Rundreise Juli bis September. Blau: zweite Rundreise September bis Oktober.
In Frankfurt blieben sie bis zum Nachmittag des 22. August. Am Tage der Anreise hielt Penn eine bewegende Ansprache in der Wohnung von Jakob van de Walle, einem niederländischen Kaufmann. An den beiden Folgetagen hielten die Quäker gemeinsam mit den lutherischen und reformierten Pietisten Andachten, vermutlich in der Kapelle des Saalhofs. Der Raum der Apsis war hoch, aber nicht breit, war gut isoliert und ließ sich gut heizen - geradezu ideal für einen Konventikel von etwa zwanzig Personen. Von der Wohnung der beiden Frauen führte ein längerer schmaler Gang zu dieser Kapelle, so dass man sich dort unbemerkt zurückziehen konnte.
Die romanische Apsis, direkt am Mainufer gelegen (Zustand 2004).
Nach einem kürzeren Ausflug in das Umland hielt Penn nochmals am 28. und 29. August eine Andacht, wieder zusammen mit den Saalhofpietisten. Ausschließlich dieses eine letzte Treffen wurde von Penn als „Stille Andacht“ in der Tradition der Quäker bezeichnet. Nach einer öffentlichen Versammlung bei van de Walle verließen die Quäker am Abend des 29. August Frankfurt und begaben sich in die katholische Hochburg Mainz.
Nachdem Penn 1681 zur Besiedlung von Pennsylvanien aufgerufen hatte, zeigten einige der Frankfurter Pietisten Interesse an einer Auswanderung. Sie gründeten eine Kompanie zum Erwerb von Land in Philadelphia. Aus unbekannten Gründen wurde dieses weit gediehene Projekt wieder fallengelassen, und die Pietisten blieben zu Hause. Der Kontakt zu den Quäkern verlor sich über die Jahre. Um 1700 wurden in Frankfurt sogar zwei der wichtigsten Hetzschriften gegen die Quäker gedruckt, nämlich die deutsche Fassung von Richard Blomes „Historia Fanaticorum“ (1701), und drei Jahre später Johann Feustkings „Beschreibung der falschen Prophetinnen, Quäkerinnen, Schwärmerinnen und anderen sectirischen und begeisterten Weibes-Personen“. In diesen Schriften war von der einstigen Sympathie zu den Quäkern nichts mehr zu spüren, ihre Besuchsreisen nach Deutschland wurden durchweg in ein negatives Licht gestellt.
Der Saalhof (heute Saalgasse 31-33) ist im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs untergegangen - bis auf die Kapelle. Diese ist heute Teil des Museums der Stadt Frankfurt. Leider wird in der dortigen Ausstellung weder auf die Pietisten noch auf die Quäker hingewiesen, die den grauen Mauern einmal etwas Leben eingehaucht hatten.
Wie es einmal war und was davon übrig blieb:
der Saalhof vor und nach den Kriegszerstörungen 1944/45.
Lit.: O. Stamm: Der königliche Saalhof zu Frankfurt am Main, in: Schriften des Historischen Museums Frankfurt am Main, XII, 1966, S. 5-63.
M. Dunn, R. Dunn: The Papers of William Penn, I, 1644-1679, Philadelphia 1981.
M. Friedrich: Frankfurt als frühes Zentrum des Pietismus, in: Von der Barfüßerkirche zur Paulskirche, Frankfurt a.M. 2000, S. 187-203.
P. Schicketanz: Der Pietismus von 1675 bis 1800, Leipzig 2001.
(Erstveröffentlichung: Der Frankfurter Saalhof (Historische Orte des Quäkertums, 4), in: Quäker. Zeitschrift der deutschen Freunde, 79, 4, 2005, S. 193-195)
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