20131211

Das Quäkerhaus in Friedrichstadt

Das älteste Andachtshaus der Quäker auf dem Kontinent ist nicht das Bad Pyrmonter, sondern das Friedrichstädter Versammlungshaus gewesen. In Friedrichstadt wurden neben Remonstranten, Katholiken, Lutheranern, Mennoniten und Juden im 17. Jahrhundert auch Quäker geduldet. Die kleine Gruppe gehörte zur Amsterdamer Jahresversammlung. Dort war 1677 William Penn anwesend, der die Friedrichstädter Delegation ermutigte, ein Andachtshaus zu errichten.

Stadtplan aus der 1. Hälfte des 18. Jh. Zwischen der „Menonisten Kirche“ und der katholischen Kirche befand sich, von der Straßenfront abgesetzt, die „Quacker Vergachrung“ (der Quäkerversammlungssaal)
Die Gemeinde traf sich zunächst in der Wester-Hafen-Straße in einer Wohnung. Im Winter 1677 wurde das Bauholz zugerichtet und bereits Juli 1678 war der Bau eines einfachen, einstöckigen Versammlungshauses im Garten dieses Grundstückes abgeschlossen. Es besaß einen steinernen Keller und war ansonsten vermutlich ausschließlich aus Holz errichtet. Henrick Siemens (auch Hendrik Simons), einer der Quäker und der Architekt des Gebäudes, gab die Bausumme mit 2.200 Gulden an. Fast die Hälfte der Kosten wurde durch Spenden aufgebracht, und der Rest von 1.200 Gulden wurde zu einem Zinssatz zu 5% von einem Mennoniten geliehen. Im Erdgeschoss fanden die Versammlungen statt, und das Dachgeschoss diente in den ersten Jahren als Speicher. Später wurde dieser Speicher an einen Händler vermietet, dann das gesamte Haus. Die Quäker hatten sich jedoch das Recht vorbehalten, am Ersttag und bei besonderen Anlässen in dem Gebäude Versammlungen durchführen zu dürfen. 1697 wurden kleinere Renovierungen und der Einbau einer Türe in Richtung des Gartens vorgenommen. Ein Jahr darauf wurde eine Feuerversicherung für den Wert von 1.200 Gulden abgeschlossen.
Zeitweise besuchten immerhin 60 Mitglieder die Versammlungen. Quäker aus Lübeck, Bremen und Hamburg hielten hier ihre Vierteljahresversammlungen ab. Doch seit dem 18. Jh. ging die Zahl der Quäker stark zurück. Da für den Bau beim Stadtrat keine Genehmigung eingeholt worden war, und dieser sich weigerte, die Erlaubnis nachträglich zu erteilen, waren die langfristige Existenz und der Ausbau der Räumlichkeiten nicht gesichert. Im Nordischen Krieg (1700-1721) war das Gebäude zeitweise mit russischen Soldaten besetzt. 1709 predigte hier Thomas Chalkley, der aus Philadelphia angereist war, und im Februar 1713 soll in dem Gebäude, nach einem Bericht des Hinrich Dau aus Bockholt, Zar Peter der Große mit Generälen an einer Andacht teilgenommen haben. Dies muss eine der letzten Andachten gewesen sein. Nach dem Eingehen der Quäkergemeinde wurde das Versammlungshaus am 12. Mai 1728 für 2.000 Mark London übertragen. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es als Färberei genutzt. 1860 wurde das Grundstück für 104 Pfund verkauft, während sich das Versammlungshaus noch mindestens bis 1871/72 im Eigentum englischer Quäker befand, dann aber ebenfalls verkauft wurde.

Lit.:
-Records in Friends House, MS vol.124, Case 51; MS 122, 51 und Meeting for Sufferings, XLVIII, 1865-1875.
-Anna Corder: Early Quakerism in Friedricstadt, in: Friends Intelligencer, 108, 1951, S. 270-272.
-Ferdinand Pont: Der Remonstrantismus und die Religionsfreiheit in Friedrichstadt, Erlangen 1921.
-Sem Christian Sutter: Friedrichstadt an der Eider: an early experience in religious toleration, 1621-1727, Chicago 1982.
-Bekanntmachung des Bürgermeisters und Rats der Stadt Danzig vom Jahre 1689 gegen die Quäker, in: Der Quäker, 62, 8/9, 1988, S. 165.
-V. Körntopp: Die Geschichte der Quäker in Friedrichstadt, in: Der Quäker, 66, 3, 1992, S. 65-66.

(Erstveröffentlichung: Quäkerhaus Friedrichstadt (Historische Orte des deutschen Quäkertums, 1), in: Quäker. Zeitschrift der deutschen Freunde, 77, 4, 2003, S. 192-193)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Sehr geehrter Herr Bernet,

vielen Dank für diese wirklich
lesenswerten Informationen über
die Quäker in Friedrichstadt
und ihren Versammlungsort.