20120116

Zwischen Quäkerstraße und Foxweg: eine Fotodokumentation aus Berlin

Irgendwann Mitte der 60er Jahre kam man auf die Idee, mit zwei neuen Berliner Straßen die Quäker zu ehren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich bis heute noch kein Quäker in diese Straßen verirrt hat. Verpasst hat man nicht viel, aber einige Besonderheiten fallen doch auf. Also, zurücklehnen, und in der warmen Stube gefahrlos eine kleine Reise am PC unternehmen, in den hintesten Teil des Berliner Nordens, "dove i tram non vanno avanti più", wie die Italiener sagen. 



Beide Straßen haben keinen S-Bahn- oder U-Bahnanschluss. Aber es gibt einen Bus. Das Foto habe ich hier einmal mit aufgenommen, weil ich drei Sekunden später um ein Haar von dem Bus überfahren worden wäre.


Noch ein Mal Glück gehabt, den "gestorben in der Quäkerstraße" muss dann doch nicht sein. 


Beginnen wir mit einem Gesamteindruck der Quäkerstraße: Lebendig ist es hier nicht gerade. Statt mit Asphalt ist der Boden mit Betonplatten belegt, die in den 1970er Jahren von der Betonmafia der Stadt angepriesen wurden. Heute vergammeln sie vor sich hin, während das Kopfsteinpflaster aus Kaisers Zeiten vor meiner Haustür immer noch ansehnlich ist. Menschen verlassen hier die Wohnblöcke kaum, dafür reiht sich Auto an Auto. Ursprünglich hatte ich vor, ein paar Bewohner nach der Bedeutung ihres Straßennamens zu fragen, aber vor Ort habe ich entschieden, es besser sein zu lassen.

Immerhin, einen Laden konnte ich finden: "Ba Dao" gewährleistet die alkoholische Grundversorgung samt einem Tabaksortiment -  was würde George Fox dazu sagen?

Hin und wieder findet man auch hier draußen liebevolle Details, wie dieses Straßenschild mit Regendächlein und Nachtbeleuchtung - erinnerte mich irgendwie an Märklin.

Und hier wurde wohl etwas abgerissen - stand da das Meeting-House?

Jetzt wird es spannend: wir stehen am Scheideweg, verlassen die Quäkerstraße und biegen in den Foxweg ein. Ich kann es zwar nicht beweisen, aber überzeugt bin ich, dass damit George Fox gemeint sein muss. Schauen wir uns einmal an, was für eine Art von Straße seinen ruhmreichen Namen trägt.

Nunja, die Wandgestaltung der Blockbauten ist hier wenigstens einfach gehalten, und erinnert doch etwas an Quäkergrau, oder? Mal sehen, was noch kommt.

Dank unübersehbarer Schrift findet der Briefträger wenigstens die Adresse. Welcher Quäker würde nicht gerne am Foxweg 1 wohnen?

Zu meiner Überraschung ist der Foxweg nicht lang, und nun das noch: eine Sackgasse. Nicht mal zu einem richtigen Weg hat es gereicht. Etwas verlassen ist es auch hier, doch an der Hütte am Wegesende brennt noch Licht, das schauen wir uns einmal näher an.

Aha, eine Schule, die Reineke-Fuchs-Grundschule. Hier bin ich jetzt doch etwas unsicher, ob sich der "Foxweg" nicht doch auf den Fuchs bezieht, oder war es umgekehrt? Jedenfalls lässt sich das nicht auf die Schnelle klären, und jetzt heißt es erst einmal zurückzulaufen.


Wir sind wieder in der Quäkerstraße. Ich muss schon sagen, dass mich solche Bauten frustrieren und traurig machen: alles ist grau, normiert, kein Zeichen von Liebe oder Mitmenschlichkeit. Die Raster der Fassaden sehen aus wie eine riesige Matrix, nur in den Fenstern versuchen die Menschen verzweifelt, es sich etwas gemütlich einzurichten, mit Herthaflagge und Geranienbatterien (nur im Sommer natürlich). Wahrscheinlich muss man auch die Hausnummern so groß anschreiben, denn sonst findet man sich überhaupt nicht zurecht, da ein Block dem anderen gleicht. Ich muss da immer an das Zille-Zitat denken, dass man mit einer Wohnung einen Menschen erschlagen kann wie mit einer Axt.

Sicher ist dem aufmerksamen Betrachter aufgefallen, wie sauber und blank hier alles ist. Lange nicht so schmuddelig und schäbig, wie ansonsten in Berlin. Zunächst dachte ich, dass der Quäkergeist hier die Bewohner zur Sauberkeit erzieht. Dann ist mir aber etwas aufgefallen:






In regelmäßigen Abständen reiht sich Müllinsel an Müllinsel. Der "Müllplatz der Mieter" ersetzt hier wohl den Kieztreff, das Cafe oder die Kneipe um die Ecke (Kneipen habe ich allerdings in der Tat keine einzige gesehen). Und selbst auf dem Müllplatz sind Quäkerbewohner von den Evangelischen streng getrennt!!


Ganz am Ende der Quäkerstraße habe ich dann auf dem Abfalleimer folgenden Spruch gelesen: "Geben ist seliger denn nehmen!". Das kann ich unterschreiben, auch wenn mir der Ursprung dieses Spruches noch bekannt ist und ich ihn wohl ganz anders verstehe als die Berliner Stadtreinigung.

Hier ist unser kleiner Rundgang beendet. Sicher ist es ein netter Zug, dass man in Deutschland auch einmal ein Quartier mit Quäkernamen versehen wollte. Ob es dann gerade diese Gegend sein muss, da habe ich meine Zweifel. Ich vermute, dass ursprünglich zwei wesentlich zentralere Straßen so benannt werden sollten, dass aber eifrige Pastoren, die mitunter auf Gemeindeebene noch ihren Einfluss haben, dafür sorgten, dass wirklich die entlegensten Straßen dafür genommen wurden. Aus meiner Sicht ist diese Straßenbenennung genauso überflüssig wie eine Katholikenstraße oder ein Papstweg. Viel entscheidender ist, wie die Menschen dort leben dürfen oder leben müssen.