Die DJV veranstaltet neuerdings in der Berliner Planckstraße kleine Kunstausstellungen.
Da nur die wenigsten Mitglieder der DJV die Möglichkeit haben, diese vor Ort anzusehen
und ansonsten nirgendwo über die Ausstellung berichtet wurde, erlaube ich mir
hier kurz einige Überlegungen.
In den Protokollen der Monatsversammlungen der Berliner
Gruppe wurde diese Ausstellung nicht erwähnt, und auch auf Ebene des Bezirkes
oder der JV habe ich keinen Beschluss zu dieser etwas ominösen Ausstellung finden
können.
Mit Eberhard Tacke wird jetzt eine problematische Person gewürdigt, und die Ausstellungsmacher habe sich offensichtlich zu wenig
Gedanken darüber gemacht, wer hier eigentlich präsentiert wird, bzw. in welcher Form dies geschieht.
Ich habe die
gesamte nationalsozialistische Vergangenheit Tackes ausführlich in einem
Aufsatz (1) dargelegt und auch in meinem Buch „Quäker aus Politik, Kunst und
Wissenschaft in Deutschland“ dazu kritische Worte fallen lassen. In der
Eingangshalle findet man immerhin ein Infoblatt:
Mitnichten gibt es, wie auf dem Blatt behauptet wird, zu der NS-Zeit nur „spärliche
Informationen“, sondern in verschiedenen Archiven zahlreiche Dokumente. Ich
mache aber hier keine Geschichtsstunde, sondern ergänze nur:
Tacke gehörte zu den Vertretern der „arischen Kunst“, die
mit Beginn der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gefördert
wurde, etwa durch Stipendien auf der Eliteakademie Neuburg bei Passau. 1936
findet man ihn im Künstler-Kameradschaftslager Hohenlychen, 1938 im
Gemeinschaftswerk „Kunst und Künstler“ des Gaues Köln-Aachen – alles Organisationen
einer grauenhaften NS-Kunst. Viele Künstler haben sich geweigert, ihre Werke solchen Kreisen zur Verfügung zu stellen, anders Tacke. Er wird Mitglied
der Deutschen Kunst-Gesellschaft zu Karlsruhe, die brutale Aktionen gegen die
„Verrottung der Kunst“ durchführte und sich den Kampf für eine „rein deutsche, dem deutschen
Wesen“ entsprechende Kunst auf die Fahnen geschrieben hatte. Im November 1938
trat Tacke sogar freiwillig der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt bei, für
die er als Blockhelfer aktiv war. Dazu muss man wissen, dass diese Personen
sogut wie immer in einem besonderen Vertrauensverhältnis zur NSDAP standen.
1940 schloss Tacke sich dem antisemitischen Propagandaverein „Nordische
Gesellschaft“ (Reichskontor Berlin) an. 1940 ließ er sich noch bei
der Schutzpolizei Berlin ausbilden. Falsch ist, dass er 1940 „zum Kriegsdienst
eingezogen“ wurde, sondern Tacke meldete sich im Januar 1941 als Freiwilliger
zur Wehrmacht. Als Freiwilliger hatte er bestimmte Privilegien und war meist
mit Kommunikationsaufgaben als Flieger hinter der Front beauftragt und brachte
es in dieser Position zum Obergefreiten. Bald aber kam es
auch zu Kampfeinsätzen, nicht nur gelegentlich, sondern Tacke kämpfte an
vorderster Front von Finnland bis hinunter nach Italien, wo er schließlich
gefangen genommen wurde. Ich könnte noch viel zu dieser Zeit schreiben, vor
allem auch darüber, was Tacke damals gemalt hat: nicht Blümchen oder
Heiligenbilder, sondern Parteimitglieder bis hinauf zu Adolf Hitler. Ich kann
das hier alles nicht ausführen, wen es interessiert, der muss sich eben einmal
meine Aufsatz besorgen.
Nun, es ist richtig, dass Tacke ein Mal Niemöller persönlich
traf – doch das war lange nach 1945!! Angebliche Kontakte zur bekennenden
Kirche sind keinesfalls belegt und mit dieser Behauptung wollen die
Ausstellungsmacher offensichtlich von der NS-Vergangenheit ablenken.
Ich kann durchaus verstehen, dass hier der Quäker Tacke als makel- und fehlerlos präsentiert werden soll. Man kann dies tun. Man tut dies jedoch auf Kosten der Glaubwürdigkeit und lässt vor allem die Hauptfrage nicht zu, die ich als Pädagoge wichtig gehalten hätte: wie nämlich aus einem Wehrmachtssoldaten und Nationalsozialisten ein Quäker und Pazifist wurde. Schade, dass man sich dieser Frage nicht gestellt hat.
Fast noch eigenartiger als die ganze leidige Vergangenheitsproblematik
finde ich die religiöse Zugehörigkeit Tackes. Er hatte nämlich so etwas wie eine
Dreifachmitgliedschaft. Aus dem Info-Blatt in der Planckstraße geht noch nicht
einmal hervor, dass er Mitglied bei der DJV war (nicht „Kontakte zu den Quäkern“
– er war Quäker, und zwar schon 1943). Gleichzeitig besuchte er aber auch die
katholische Messe, nicht gelegentlich, sondern regelmäßig. Dann wieder
verkehrte er unter den Evangelischen und wurde als Gemeindemitglied gesehen
(was er nicht war): Pastorin Almuth Berger leitete nach Tackes Tod 1989 die
evangelische Bestattung unter Friedrich-Wilhelm Hünerbein auf dem Berliner
Friedhof Baumschulenweg.
Noch eine Bemerkung: die Ausstellung war von einen auf den
anderen Tag 2010 eingerichtet worden. Welcher Ausschuss oder welche Personen dafür
Verantwortung tragen, geht nirgends hervor, alles ist anonym. Auch Mitglieder
der Berliner Gruppe konnten mir nichts dazu sagen, die Ausstellung sei eben „einfach
da gewesen“.
Nun, ich finde es vollkommen in Ordnung, wenn die DJV jetzt
Kunstausstellungen ermöglicht. Ich zeichne selbst, und vielleicht habe ich auch
Lust, einmal meine Werke zu präsentieren - why not? Es sollte aber Regeln geben.
Und zu den Regeln gehört, die Mitglieder zu fragen, ob es überhaupt, und wenn
ja von wem, solche Ausstellungen geben soll. Nur wenn Mitglieder davon erfahren, was
geplant ist, dann kann man sich auch einbringen. Ansonsten bleibt nichts
anderes übrig, als sich wie hier, nachträglich zu Worte zu melden.
(1) Eberhard Tacke (1903-1989): Ein Berliner Zeichner,
Lithograph und Maler, in: Mitteilungen der Ev. Arbeitsgemeinschaft für
kirchliche Zeitgeschichte, 4, 2010, S. 51-68.