Viele Quäker haben an ihrem Wohnort keine Möglichkeit, regelmäßig
eine Andacht zu besuchen, und meist fehlt Zeit und Mut, selbst eine zu gründen.
„Alleinlebende Freunde“ werden sie genannt. Sogar in Metropolen wie Dortmund,
Leipzig oder Frankfurt treffen sich Quäker nicht wöchentlich, sondern, wenn überhaupt
einmal, in viel größeren Abständen. Das war nicht immer so, doch momentan
ist anscheinend Berlin die letzte Gruppe, die einen wöchentlichen
Andachtsbesuch gewährleistet, zu 70 Prozent Dank einer älteren und erfahrenen Quäkerin.
Für diejenigen, die vor der Haustür keine Gruppe haben oder
ihre örtliche Gruppe nicht mehr besuchen möchten, gibt es eine bemerkenswerte
Alternative: die Thich Nhât Hanh-Gruppen.
Hier kann man echten Quäkergeist finden, und zwar nicht von
zwei oder drei Mittsechzigern, sondern in großen Gruppen unterschiedlichen Alters.
Vieles, was man aus dem Quäkertum kennt und vertraut ist, wird hier praktiziert. An erster
Stelle natürlich die schweigende Meditation. Anschließend gibt es meist
Aussprachen in Form des „Gespräches aus der Stille“. Dogmen und Lehren gegenüber
ist man skeptisch eingestellt, große Bedeutung hat die Achtsamkeit, die
Nächstenliebe und – das einfache Leben. Selbst die Gewaltlosigkeit ist
Grundlage dieser Richtung.
Die gute Nachricht: die Gruppen sprießen wie Pilze aus dem
Boden: http://www.intersein.de/ zeigt
an, dass es selbst in Orten wie Hohenau und Waldbröl, von denen ich noch nie
gehört habe, Treffen gibt. Bei Berlin gibt es sogar ein Retreat-Zentrum mit dem
etwas schillernden Namen „Quelle des Mitgefühls“, das ich sehr empfehlen kann,
ob Quäker oder nicht.
Nachtrag (1.12.2011): Eine Quäkerin machte mich auf ein Zitat von Roswitha Jarman aufmerksam, das ich gerne wiedergebe:
„Thich Nhat Hanh, der buddhistische Mönch aus Vietnam, rät
uns, zu gewissen Zeiten, das was wir tun, ganz bewusst und achtsam zu tun. Ich
kann zum Beispiel eine ‚Auf-den-Zug-warten’ Meditation halten, oder eine
‚Einem-schwierigen-Menschen-begegnen’ Meditation machen. Dieses Achtsam-sein,
dieses dem Augenblick gegenwärtig sein, zieht uns hinein in eine Stille und
Tiefe mitten im Getriebe“.
(Roswitha Jarman: Vom Wesen und Werk der Liebe, Bad Pyrmont 2002, S. 16.)
(Roswitha Jarman: Vom Wesen und Werk der Liebe, Bad Pyrmont 2002, S. 16.)