„Daß Innerste meines Hertzens mittheilen“
Herford nimmt in der
frühneuzeitlichen Religionsgeschichte als Bezugspunkt heterodoxer,
von der offiziellen kirchlichen Lehre abweichender,
Religionsgemeinschaften eine exponierte Stellung ein. Zwar bezieht
sich dies auf den relativ kurzen Zeitraum der Regierungszeit der
Pfalzgräfin Elisabeth, doch die Ereignisse um Labadisten,
Radikalpietisten und Quäker haben immer wieder die Forschung
stimuliert. Erst jüngst wurde in einer geschichtswissenschaftlichen
Dissertation die Position der Äbtissin, neben Franciscus Mercurius
van Helmont und Benjamin Furley, als „Maklerfigur“ zwischen
Konfessionen und religiös-heterodoxen Bewegungen charakterisiert (1).
Das Quäkertum war die wichtigste
Religionsgemeinschaft der Frühen Neuzeit, die in Deutschland von
außen kommend Fuß fasste. Zahlreiche Herrscher und kirchliche
Würdenträger wurden gezielt von England aus aufgesucht, in
Norddeutschland entstanden an verschiedenen Orten Quäkergemeinden,
die in ein internationales transatlantisches Netzwerk dieser
Religionsgemeinschaft eingebunden waren. Die Reaktion der Obrigkeit
war differenziert, es gab Beispiele brutaler Verfolgung, und, wie
hier, Beispiele bemerkenswerter Toleranz.
Im hiesigen Beitrag wird es um die
interdependenten Beziehungen zwischen der Äbtissin einerseits, den
Quäkern und dem Radikalpietisten Gichtel andererseits gehen. Es kann
gezeigt werden, dass der Reise der Quäker nach Herford von 1677
weitere, weniger bekannte, Besuche vorausgingen, und das diese Reisen
Folgen hatten, weit über Herford hinaus. An Gichtel, der 1677
ebenfalls mit Quäkern persönlich zusammentraf, zeigt sich, dass
pietistisch gesinnte Persönlichkeiten über Konfessionsgrenzen
hinweg miteinander kommunizierten, da es in solchen Kreisen nicht
primär um Mission, sondern um eine biblisch zentrierte
Lebensausrichtung und Lebensführung ging.
(1) Sünne Juterczenka: Über Gott und die Welt. Endzeitvisionen,
Reformdebatten und die europäische Quäkermission in der Frühen
Neuzeit. Göttingen 2008, S.140-146 (Veröffentlichungen des
Max-Planck-Instituts für Geschichte 143). Ein entscheidender
Unterschied zwischen der Äbtissin und den anderen beiden Personen
ist freilich, dass sie nicht den Quäkern angehörten.
aus: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford, 16, 2009, S. 203-220.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen