20120104

Quäker der Woche (1): Benjamin Lay


Der Vater von Benjamin Lay war William Lay, die Mutter Mary Lay (Geburtsname unbekannt). Der Körper ihres am 26. Januar 1682 in Colchester geborenen Kindes war seit seiner Geburt mit schweren Missbildungen versehen: Die Arme hatten eine unterschiedliche Länge, die Beine waren verformt und der Rücken hatte einen überstarken Buckel. Lays Körpergröße betrug nicht mehr als 1, 30 Meter. Da seine Eltern der Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker) angehörten, wurde er nach den Prinzipien und Grundsätzen dieser Gemeinschaft erzogen. Die Ablehnung der Todesstrafe und die Mildtätigkeit gegenüber den Bedürftigen dürfen als Früchte dieser Erziehung gelten. Nach einem kurzen unzureichenden Schulbesuch sollte Lay nach dem Willen der Eltern seinen Unterhalt als Handschuhmacher bestreiten. Doch es zog ihn in die Ferne, und er heuerte trotz seiner Behinderungen bei den Londoner Reedereien an. Als Seemann trieb es ihn von Hafen zu Hafen, von Kontinent zu Kontinent.
Eine Zeitlang lebte er in Westindien, später auch in Syrien. 1710 kehrte er nach London zurück. Er heiratete seine Glaubensgenossin Sarah Smith (um 1677 in Rochester, Kent, England - 1735 Abington) aus Deptford. Diese litt unter ähnlichen körperlichen Missbildungen. Das Paar führte ein harmonisches Eheleben, blieb jedoch kinderlos. In London besuchte er nun die Versammlungen der Quäker, wo er permanent durch anklagende Predigten provozierte. 1720 verwarnte ihn das Devonshire House Monthly Meeting scharf. Er wurde zeitweise aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Gleiches passierte ihm in Colchester, wo er ab 1720 das Two Weeks Meeting besuchte. Seine Frau blieb zeitlebens Mitglied der Quäker, in Abington (Pennsylvania) hatte sie sogar das Amt eines Ministers inne (unter „Minister“ wurde in der Quäkerkirche eine Person verstanden, die besonders zum Dienst am Wort berufen war).
1731 verließ das Ehepaar Lay Europa und ließ sich auf der Insel Barbados nieder. Hier waren beide von den unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Sklaven ihr Dasein fristen mussten, entsetzt. Das Ehepaar wurde zum Vorkämpfer der Sklavenbefreiung. Jeden Sonntag versammelten sich Hunderte von Sklaven und Sklavinnen, um den Predigten Benjamins zuzuhören. Anschließend bekamen sie von dem Ehepaar eine Mittagsmahlzeit. Doch war der sozialen Tätigkeit der Lays auf Barbados kein Erfolg beschieden. Die Plantagenbesitzer veranlassten schon gegen Ende des Jahres 1731 die Ausweisung der Lays, die nun nach Philadelphia weiterzogen. Dort bauten sie sich am Stadtrand eine Hütte und betrieben Gartenbau, da sie inzwischen Vegetarier geworden waren. Auch bekämpften sie den Alkoholismus, dessen Folgen Lay bereits bei seinen Hafenaufenthalten kennen gelernt hatte. In Amerika übte sich Lay mehr und mehr in Selbstverleugnung und Demut. Er lehnte zeitweise das Tragen von Kleidung ab und lief in einem einfachen rohen Leinengewand umher. Schuhe trug er selten. Zudem verachtete er den Tabak und boykottierte den Kauf von Produkten von Sklavenplantagen. Auch einen langen weißen Bart ließ er sich wachsen. Sein Aussehen und Verhalten erschien vielen sonderbar, er galt als Inkarnation eines alttestamentlichen Propheten. Viel Zeit verbrachte er mit dem Lesen seiner umfangreichen Hausbibliothek. Unter den 200 Büchern und Schriften fanden sich die pietistischen Klassiker ebenso wie die gelehrten Ausführungen der Kirchenväter. Schließlich gab Lay sogar diese bescheidene Hütte auf und zog nahe der Siedlung Abington in eine selbstgegrabene kaum Schutz bietende Erdhöhle. Auch hier in Amerika kam es erneut zu folgenschweren Zwischenfällen in den Quäkerversammlungen, so dass Lay von zahlreichen Meetings von New Jersey bis nach Philadelphia ausgeschlossen blieb. Denn unter den amerikanischen Quäkern setzte Lay seinen Kampf gegen die Sklaverei mit drastischen Mitteln fort. Die Einstellung der Quäker zur Sklaverei war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ambivalent: Zwar wurde ein strenges Bestrafen von Sklaven verurteilt, doch die Sklaverei an sich war die wenig hinterfragte Grundlage des Reichtums vieler einflußreicher Quäkerfamilien. In den Versammlungen der Quäker stand Lay häufig auf und verkündete seine Botschaft von der „Lösung der Gebundenen“, die sich auf Sklavenhalter wie auf Sklaven gleichsam bezog. Zeitweise erregte er durch seine scharfen Anklagen derart die Gemüter der Andachtsbesucher, daß er gewaltsam aus dem Saal verwiesen wurde. Bekannt ist der Vorfall, als ihn ein Schmiedegeselle aus einer Versammlung in Philadelphia (Market Street Meeting) auf die Straße setzte. Lay blieb im Straßengraben liegen und sagte den Vorübergehenden, er sei nicht frei, aufzustehen: Nur derjenige könne ihn aus dem Graben helfen, der ihn hineingeworfen hatte. Auch inszenierte Lay spektakuläre Auftritte auf den Jahresversammlungen. So erschien er in der jährlichen Versammlung zu New Jersey in der Stadt Burlington in einem weißen Laken. Nach einer Zeit des Schweigens erhob er sich von seinem Sitz und verkündete den Anwesenden: „You slaveholders, although you put up a front of your quaker-ness, your true nature comes through“. Dann warf er das Laken weg und stand in militärischer Uniform in der Mitte der Quäkerversammlung. In der einen Hand hielt er eine Bibel, in der anderen einen Säbel. Erneut rief er: „Thus shall God shed the blood of those persons who enslave their fellow-creatures“. Dabei zerstieß er mit dem Säbel eine im Buch versteckte Blase, die mit roter Farbe gefüllt war, welche sich über die Versammlung ergoß.
Lays Bedeutung liegt jedoch weniger in derartigen dramatischen Aktionen, als in seiner Vorreiterrolle in der Frage der Sklavenbefreiung. Er hatte Vorbildfunktion für John Woolman (1720-1772), der sein Werk mit anderen Mitteln weitaus erfolgreicher fortsetzte. Der Beschluss des Philadelphia Yearly Meeting of Friends aus dem Jahre 1758 gegen den Import und Verkauf von Sklaven kam auch durch Lays Einsatz zustande. Nachdem der Beschluss einmütig gefasst wurde, soll Lay gesagt haben „I can now die in peace“. Ein Jahr später verstarb Lay nach kurzer Krankheit am 3. Februar 1759 in Abington. Er wurde auf dem dortigen Quäkerfriedhof bestattet.

Werke: A few lines added by B. Lay, of Colchester. In: Penn, William: No cross, no crown. London 1731, 157-159; All slave-keepers, that keep the innocent in bondage, apostates. Pretending to lay claim to the pure and holy Christian religion, of what congregation so ever, but especially in their ministers, by whose example the filthy leprosy and apostacy is spread far and near, it is a notorious sin, which many of the true friends of Christ, and his pure truth, called Quakers, has been for many years, and still are concern’d to write and bear testimony against, as a practice so gross and hurtful to religion, and destructive to government, beyond what words can set forth, or can be declared of by men or angels, and yet lived in by ministers and magistrates in America. The leaders of the people cause them to err. Philadelphia 1737.

Bibliographien: Smith, Joseph: A Descriptive Catalogue of Friends’ Books. Or books written by members of the Society of Friends, commonly called Quakers, from their first rise to the present time, interspersed with critical remarks, and occasional biographical notices, and including all writings by authors before joining, and those after having left the Society, whether adverse or not, as far as known. I. London 1867, 92-93.

Lit. (Auswahl): Rush, Benjamin: Biographical Anecdotes of Benjamin Lay. In: The Annual Monitor, or, New Letter-case and Memorandum Book. I. York 1815; - Vaux, Richard: Memoirs of the Lives of Benjamin Lay and Ralph Sandiford, Two of the Earliest Public Advocates for the Emancipation of the Enslaved Africans. Philadelphia 1815. London 18162; - Allen, William: An American Biographical and Historical Dictionary. Containing an account of the lives, characters, and writings of the most eminent persons in North America from its first settlement, and a summary of the history of the several colonies and of the United States. Boston 1832. Boston 18322, 518-519; - Hunt, John: Notices of Benjamin Lay. In: Friends Miscellany. Being a collection of essays and fragments, biographical religious epistolary, narrative and historical. Designed for the promotion of piety and virtue to preserve in remembrance the characters and views of exemplary individuals, and to rescue from oblivion those manuscripts, left by them which may be useful to survivors, IV, 6, 1833, 274-276; - Child, Lydia Maria Francis: Memoir of Benjamin Lay, Compiled from Various Sources. New York 1842; - Early Anti-slavery Advocates. Benjamin Lay. In: The Friend. A Religious, Literary and Miscellaneous Journal, XXIX, 24, 1856, 180; XXIX, 25, 1856, 196; XXIX, 26, 1856, 204-205; XXIX, 27, 1856, 212; XXIX, 28, 1856, 220; XXIX, 29, 1856, 229-230; - Biographical Anecdote of Benjamin Lay. In: Duyckinck, Evert Augustus; Duyckinck, George Long; Simons, Michael Laird (Hrsg.): Cyclopaedia of American Literature. Embracing personal and critical notices of authors, and selections from their writings, from the earliest period to the present day, with portraits, autographs, and other illustrations. I. Philadelphia 1856, 279-280; - Certificate for Benjamin Lay from Colchester Monthly Meeting, dated 12mo. 4, 1731, and Addressed to Philadelphia Monthly Meeting. In: The Friend. A Religious, Literary and Miscellaneous Journal, LIII, 1879, 135; - Benjamin Lay. Born 1677 - Died 1759 - Aged Eighty-two years. In: Beck, W.; Wells, W. F.; Chalkley, H. G.: Biographical Catalogue. Being an account of the lives of Friends and others whose portraits are in the London Friends' institute. Also descriptive notices of Friends' schools and institutions of which the gallery contains illustrations. London 1888, 418-422; - Hunt, John: Anecdotes of Benjamin Lay. In: The Journal of the Friends’ Historical Society, XXII, 1925, 72-76 (zgl.: The Friend. A Religious, Literary and Miscellaneous Journal, C, 1926, 18-19); - Benjamin Lay. In: The Journal of the Friends’ Historical Society, XXIII, 1/2, 1926, 60-61; - Rowntree, Brightwen: Benjamin Lay (1681-1759) at Colchester, London, Barbadoes, Philadelphia. In: The Journal of the Friends’ Historical Society, XXXIII, 1936, 3-19; - Stevenson, Janet Marshall: Pioneers in Freedom. Adventures in courage. Chicago 1969; - Kashatus III, William: Abington’s Fierly Little Abolitionist. In: Old York Road Historical Society Bulletin, XLV, 1985, 35-39; - Perry, Marvin: Benjamin Lay. In: Whitman, Alden (Hrsg.): American Reformers. An H. W. Wilson Biographical Dictionary. New York 1985, 514-515; - Mielke, Andreas: “What’s here to do?”. An inquiry concerning Sarah and Benjamin Lay, abolitionist. In: Quaker History. The Bulletin of Friends Historical Association, LXXXVI, 1, 1997, 22-44: - Lay, Benjamin (1677-1759). In: Pennsylvania Biographical Dictionary. I. Wilmington 19982, 31-33; - Rosier, Paul: Benjamin Lay. In: Garraty, John; Carnes, Mark (Hrsg.): American National Biography. XIII. New York 1999, 305-307; - Skidmore, Gil: Benjamin Lay. 1683-1759. In: Dies.: Dear Friends and Brethren. 25 short biographies of Quaker men. Reading 2000, 19-21.

Erstabdruck: BBKL, Bd. 19, 2001, Sp. 875-880.