Der Vater von Benjamin Lay war William Lay, die
Mutter Mary Lay (Geburtsname unbekannt). Der Körper ihres am 26. Januar 1682 in
Colchester geborenen Kindes war seit seiner Geburt mit schweren Missbildungen
versehen: Die Arme hatten eine unterschiedliche Länge, die Beine waren verformt
und der Rücken hatte einen überstarken Buckel. Lays Körpergröße betrug nicht
mehr als 1, 30 Meter. Da seine Eltern der Religiösen Gesellschaft der Freunde
(Quäker) angehörten, wurde er nach den Prinzipien und Grundsätzen dieser
Gemeinschaft erzogen. Die Ablehnung der Todesstrafe und die Mildtätigkeit
gegenüber den Bedürftigen dürfen als Früchte dieser Erziehung gelten. Nach
einem kurzen unzureichenden Schulbesuch sollte Lay nach dem Willen der Eltern
seinen Unterhalt als Handschuhmacher bestreiten. Doch es zog ihn in die Ferne,
und er heuerte trotz seiner Behinderungen bei den Londoner Reedereien an. Als
Seemann trieb es ihn von Hafen zu Hafen, von Kontinent zu Kontinent.
Eine
Zeitlang lebte er in Westindien, später auch in Syrien. 1710 kehrte er nach
London zurück. Er heiratete seine Glaubensgenossin Sarah Smith (um 1677 in
Rochester, Kent, England - 1735 Abington) aus Deptford. Diese litt unter ähnlichen
körperlichen Missbildungen. Das Paar führte ein harmonisches Eheleben, blieb
jedoch kinderlos. In London besuchte er nun die Versammlungen der Quäker, wo er
permanent durch anklagende Predigten provozierte. 1720 verwarnte ihn das
Devonshire House Monthly Meeting scharf. Er wurde zeitweise aus der
Gemeinschaft ausgeschlossen. Gleiches passierte ihm in Colchester, wo er ab
1720 das Two Weeks Meeting besuchte. Seine Frau blieb zeitlebens Mitglied der
Quäker, in Abington (Pennsylvania) hatte sie sogar das Amt eines Ministers inne
(unter „Minister“ wurde in der Quäkerkirche eine Person verstanden, die
besonders zum Dienst am Wort berufen war).
1731 verließ das Ehepaar Lay
Europa und ließ sich auf der Insel Barbados nieder. Hier waren beide von den
unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Sklaven ihr Dasein fristen mussten,
entsetzt. Das Ehepaar wurde zum Vorkämpfer der Sklavenbefreiung. Jeden Sonntag
versammelten sich Hunderte von Sklaven und Sklavinnen, um den Predigten
Benjamins zuzuhören. Anschließend bekamen sie von dem Ehepaar eine
Mittagsmahlzeit. Doch war der sozialen Tätigkeit der Lays auf Barbados kein
Erfolg beschieden. Die Plantagenbesitzer veranlassten schon gegen Ende des
Jahres 1731 die Ausweisung der Lays, die nun nach Philadelphia weiterzogen.
Dort bauten sie sich am Stadtrand eine Hütte und betrieben Gartenbau, da sie
inzwischen Vegetarier geworden waren. Auch bekämpften sie den Alkoholismus,
dessen Folgen Lay bereits bei seinen Hafenaufenthalten kennen gelernt hatte. In
Amerika übte sich Lay mehr und mehr in Selbstverleugnung und Demut. Er lehnte
zeitweise das Tragen von Kleidung ab und lief in einem einfachen rohen
Leinengewand umher. Schuhe trug er selten. Zudem verachtete er den Tabak und
boykottierte den Kauf von Produkten von Sklavenplantagen. Auch einen langen
weißen Bart ließ er sich wachsen. Sein Aussehen und Verhalten erschien vielen
sonderbar, er galt als Inkarnation eines alttestamentlichen Propheten. Viel
Zeit verbrachte er mit dem Lesen seiner umfangreichen Hausbibliothek. Unter den
200 Büchern und Schriften fanden sich die pietistischen Klassiker ebenso wie
die gelehrten Ausführungen der Kirchenväter. Schließlich gab Lay sogar diese
bescheidene Hütte auf und zog nahe der Siedlung Abington in eine
selbstgegrabene kaum Schutz bietende Erdhöhle. Auch hier in Amerika kam es
erneut zu folgenschweren Zwischenfällen in den Quäkerversammlungen, so dass Lay
von zahlreichen Meetings von New Jersey bis nach Philadelphia ausgeschlossen
blieb. Denn unter den amerikanischen Quäkern setzte Lay seinen Kampf gegen die
Sklaverei mit drastischen Mitteln fort. Die Einstellung der Quäker zur
Sklaverei war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ambivalent: Zwar wurde
ein strenges Bestrafen von Sklaven verurteilt, doch die Sklaverei an sich war
die wenig hinterfragte Grundlage des Reichtums vieler einflußreicher
Quäkerfamilien. In den Versammlungen der Quäker stand Lay häufig auf und
verkündete seine Botschaft von der „Lösung der Gebundenen“, die sich auf
Sklavenhalter wie auf Sklaven gleichsam bezog. Zeitweise erregte er durch seine
scharfen Anklagen derart die Gemüter der Andachtsbesucher, daß er gewaltsam aus
dem Saal verwiesen wurde. Bekannt ist der Vorfall, als ihn ein Schmiedegeselle
aus einer Versammlung in Philadelphia (Market Street Meeting) auf die Straße
setzte. Lay blieb im Straßengraben liegen und sagte den Vorübergehenden, er sei
nicht frei, aufzustehen: Nur derjenige könne ihn aus dem Graben helfen, der ihn
hineingeworfen hatte. Auch inszenierte Lay spektakuläre Auftritte auf den
Jahresversammlungen. So erschien er in der jährlichen Versammlung zu New Jersey
in der Stadt Burlington in einem weißen Laken. Nach einer Zeit des Schweigens
erhob er sich von seinem Sitz und verkündete den Anwesenden: „You slaveholders,
although you put up a front of your quaker-ness, your true nature comes
through“. Dann warf er das Laken weg und stand in militärischer Uniform in der
Mitte der Quäkerversammlung. In der einen Hand hielt er eine Bibel, in der
anderen einen Säbel. Erneut
rief er: „Thus shall God shed the blood of those persons who enslave their
fellow-creatures“. Dabei zerstieß er mit dem Säbel eine im Buch
versteckte Blase, die mit roter Farbe gefüllt war, welche sich über die
Versammlung ergoß.
Lays Bedeutung liegt jedoch
weniger in derartigen dramatischen Aktionen, als in seiner Vorreiterrolle in
der Frage der Sklavenbefreiung. Er hatte Vorbildfunktion für John Woolman
(1720-1772), der sein Werk mit anderen Mitteln weitaus erfolgreicher
fortsetzte. Der Beschluss des Philadelphia Yearly Meeting of Friends aus dem
Jahre 1758 gegen den Import und Verkauf von Sklaven kam auch durch Lays Einsatz
zustande. Nachdem der Beschluss einmütig gefasst wurde, soll Lay gesagt haben „I
can now die in peace“. Ein Jahr später verstarb Lay nach kurzer Krankheit am 3.
Februar 1759 in Abington. Er wurde auf dem dortigen Quäkerfriedhof bestattet.
Werke: A few lines added by B. Lay, of Colchester . In: Penn, William: No cross, no
crown. London 1731, 157-159; All slave-keepers, that keep the innocent in bondage,
apostates. Pretending to lay claim to the pure and holy Christian religion, of
what congregation so ever, but especially in their ministers, by whose example
the filthy leprosy and apostacy is spread far and near, it is a notorious sin,
which many of the true friends of Christ, and his pure truth, called Quakers,
has been for many years, and still are concern’d to write and bear testimony
against, as a practice so gross and hurtful to religion, and destructive to
government, beyond what words can set forth, or can be declared of by men or
angels, and yet lived in by ministers and magistrates in America. The leaders
of the people cause them to err. Philadelphia 1737.
Bibliographien: Smith, Joseph: A Descriptive Catalogue of
Friends’ Books. Or books written by members of the Society of Friends, commonly
called Quakers, from their first rise to the present time, interspersed with
critical remarks, and occasional biographical notices, and including all
writings by authors before joining, and those after having left the Society,
whether adverse or not, as far as known. I. London 1867, 92-93.
Lit. (Auswahl): Rush, Benjamin: Biographical
Anecdotes of Benjamin Lay. In: The Annual Monitor, or, New Letter-case and
Memorandum Book. I. York 1815; - Vaux, Richard: Memoirs of the Lives of
Benjamin Lay and Ralph Sandiford, Two of the Earliest Public Advocates for the
Emancipation of the Enslaved Africans. Philadelphia 1815. London 18162; - Allen, William: An American
Biographical and Historical Dictionary. Containing an account of the lives,
characters, and writings of the most eminent persons in North America from its first settlement, and a
summary of the history of the several colonies and of the United States . Boston 1832. Boston 18322, 518-519; - Hunt,
John: Notices of Benjamin Lay. In: Friends
Miscellany. Being a collection of essays and fragments, biographical religious
epistolary, narrative and historical. Designed for the promotion of piety and
virtue to preserve in remembrance the characters and views of exemplary
individuals, and to rescue from oblivion those manuscripts, left by them which
may be useful to survivors, IV, 6, 1833, 274-276; - Child, Lydia Maria Francis: Memoir
of Benjamin Lay, Compiled from Various Sources. New York 1842; - Early Anti-slavery Advocates.
Benjamin Lay. In: The Friend. A Religious, Literary
and Miscellaneous Journal, XXIX, 24, 1856, 180; XXIX, 25, 1856, 196; XXIX, 26,
1856, 204-205; XXIX, 27, 1856, 212; XXIX, 28, 1856, 220; XXIX, 29, 1856,
229-230; -
Biographical Anecdote of Benjamin Lay. In: Duyckinck, Evert Augustus;
Duyckinck, George Long; Simons, Michael Laird (Hrsg.): Cyclopaedia of American
Literature. Embracing personal and critical notices of authors, and selections
from their writings, from the earliest period to the present day, with
portraits, autographs, and other illustrations. I. Philadelphia 1856, 279-280; - Certificate for Benjamin Lay from
Colchester Monthly Meeting, dated 12mo. 4, 1731, and Addressed to Philadelphia
Monthly Meeting. In: The Friend. A Religious,
Literary and Miscellaneous Journal, LIII, 1879, 135; - Benjamin Lay. Born 1677 - Died 1759
- Aged Eighty-two years. In: Beck, W.; Wells, W. F.;
Chalkley, H. G.: Biographical Catalogue. Being an account of the lives of
Friends and others whose portraits are in the London Friends' institute. Also
descriptive notices of Friends' schools and institutions of which the gallery
contains illustrations. London 1888, 418-422; - Hunt, John: Anecdotes of Benjamin
Lay. In: The Journal of the Friends’ Historical Society, XXII, 1925, 72-76
(zgl.: The Friend. A Religious, Literary and
Miscellaneous Journal, C, 1926, 18-19); - Benjamin Lay. In: The Journal of the Friends’
Historical Society, XXIII, 1/2, 1926, 60-61; - Rowntree, Brightwen: Benjamin Lay (1681-1759)
at Colchester , London , Barbadoes, Philadelphia . In: The Journal of the Friends’
Historical Society, XXXIII, 1936, 3-19; - Stevenson, Janet Marshall: Pioneers in
Freedom. Adventures in courage. Chicago 1969; - Kashatus III, William: Abington’s Fierly
Little Abolitionist. In: Old York Road Historical Society Bulletin, XLV, 1985,
35-39; - Perry, Marvin: Benjamin Lay. In:
Whitman, Alden (Hrsg.): American Reformers. An H. W. Wilson Biographical
Dictionary. New York 1985, 514-515; - Mielke, Andreas: “What’s here to do?”. An
inquiry concerning Sarah and Benjamin Lay, abolitionist. In: Quaker History. The Bulletin of Friends Historical
Association, LXXXVI, 1,
1997, 22-44: - Lay, Benjamin (1677-1759). In: Pennsylvania Biographical Dictionary. I. Wilmington 19982 , 31-33; - Rosier, Paul: Benjamin Lay. In:
Garraty, John; Carnes, Mark (Hrsg.): American National Biography. XIII. New York 1999, 305-307; - Skidmore,
Gil: Benjamin Lay. 1683-1759. In: Dies.: Dear Friends and Brethren. 25 short biographies of Quaker
men. Reading 2000, 19-21.
Erstabdruck: BBKL, Bd. 19, 2001, Sp. 875-880.
Erstabdruck: BBKL, Bd. 19, 2001, Sp. 875-880.