Wien ist nicht nur eine Wohlfühlstadt für Romantiker oder
Nostalgiker, sondern Wien ist auch eine Stadt des Friedens. Das ist natürlich
jede Stadt und jedes Dorf, aber selten wird einmal zusammengetragen, was einen
Ort zum Friedensort macht. S. Jalka, Pädagogin aus Wien und vielen Quäkern
als langjährige Schreiberin der DJV bekannt, hat sich mit diesem Aspekt
beschäftigt. Herausgekommen ist das Buch „Frieden entdecken in Wien“ (212 S., 2011, Verlag
Pro Business GmbH Berlin, 20,-€ incl. MWS).
Die Quäker kommen in so einem Buch natürlich an prominenter
Stelle vor, und überhaupt atmet das ganze Buch, was bei dem Thema nicht
verwundert, Quäkergeist. Besonders aufgefallen sind mir die Überlegungen zur
Friedenswissenschaft und zu Bertha von Suttner, mit der sich Jalka schon Jahre
zuvor beschäftigt hat – sozusagen schreibt hier eine Suttner-Expertin.
Doch zurück zu den Wiener Quäkern.
Lange Zeit hatten sie eigene Büros, erst in der Singerstraße, später in der Jaurèsgasse. Betont wird zu
Recht das Gebot der Einfachheit (eigentlich „Zeugnis der Einfachheit“, aber das
wird vielen heutigen Lesern kaum vertraut sein). Interessant ist, dass hier von „Religiöse
Gesellschaft der Freunde der Wahrheit“ gesprochen wird – eine Bezeichnung, die
ich ansonsten nur aus dem 17. Jahrhundert kenne.
Der Koala – an und für sich ein ganz friedliches Wesen – ist
auch von dem Friedensbuch positiv angetan.
„Frieden entdecken in Wien“ ist graphisch ansprechend
gestaltet – hübsche Zeichnungen und Bilder findet man auf fast jeder Seite. Auch
sprachlich-stilistisch ist es hervorragend geschrieben – ich habe mich immer
wieder bei Sachen festgelesen, die mich eigentlich gar nicht interessierten,
dann aber irgendwie doch...
Inhaltlich wird es Friedensfachleuten vermutlich wenig Neues
bieten – so gut wie alle Informationen sind an anderer Stelle, etwa in der
Wikipedia oder in spezieller Fachliteratur, weitaus ausführlicher nachzulesen.
Also, für wen könnte das Buch sein? Ich denke da vor allem an die vielen
Wien-Touristen, denn mit diesem Buch kann man die Stadt auf ganz andere Art
entdecken. Ebensogut könnte es in Schulklassen verteilt werden, um die
nachfolgende Generation mit diesem Aspekt der Wien-Geschichte vertraut bzw.
vertrauter zu machen.
Das Buch hat auch eine eigene Seite im Internet: www.frieden-entdecken-in-wien.info
Dort steht geschrieben: „Dieses Buch war schon lange fällig“
– ja, das ist wohl wahr, und vielleicht ist das Buch auch eine Anregung für ein
Berlin-Friedensbuch? Es gäbe viele Orte und Geschehnisse, die mir spontan
einfielen...
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So, hier ist mein Buchhinweis eigentlich zu Ende, aber es
gibt noch ein Schmankerl für alle Freunde der Wiener Freunde:
Eine echte Rarität ist dieses Heft:
Ich bekam es im letzten Jahrhundert von dem Wiener Verleger Ernst
Schwarz, der sich später Schwarcz nannte, geschenkt. Obwohl ich von
Philadelphia bis London zahlreiche Archive und Bibliotheken durchforstet habe,
konnte ich leider kein einziges weiteres Heft dieses „Wiener Quäkers“ finden.
Mündlich wurde mir berichtet, es hätte noch eine ganze Reihe davon gegeben.
Dieses Heft muss um 1950 entstanden sein, zu einer Zeit, als alles Deutsche in
Österreich abgelehnt wurde, um so von der eigenen Schuld abzulenken. So liest man
ausschließlich von „Österreichischen Freunden“, und an keiner Stelle ist zu
erkennen, dass man sich (1936!) mit den deutschen Quäkern freiwillig vereinigt hat. Damals
ging bei den Ösi-Quäkern noch die Post ab, wenn ich mich einmal so ausdrücken
darf: fast jeden Tag gab es im Quäker-Haus Aktivitäten: Bibelkreise,
Studienkreise, eine Jugendgruppe, jeden Dienstag einen Quäkervortrag, eine
englische Sprachgruppe, eine Volksbildungsgruppe, einen Sozialausschuss, regelmäßige
Treffen der Frauen-Liga (gestaltet vom Bertha Suttner-Verein), eine
Friedensarbeitsgemeinschaft, eine freie Diskussionsgruppe, eine Kindergruppe
und Treffen des Flüchtlingskinder-Klubs – und das alles WÖCHENTLICH! Dann gab
es noch alle zwei Wochen einen offenen Musikabend, und einmal im Monat ein eigenes
Treffen der „Freunde der Freunde“. Wie haben sich die Zeiten geändert, wenn man
daran denkt, dass die Wiener Quäkerversammlung eingegangen ist und in der
Berliner Planckstraße von Montag bis Samstag keine einzige Quäker-Aktivität
regelmäßig stattfindet.