Es ist so gut wie unbekannt, dass die Quäker auch eine islamische Wurzel haben. Ich verdanke den Hinweis auf die folgenden Überlegungen Professor G. Lischke, dem ich zu einem besonderen Dank verpflichtet bin, dass er mich auf diese spannenden Zusammenhänge aufmerksam machte: Ibn Tufail (1105-1185) war Leibarzt und Wesir des Almohaden-Kalifs Abu Jakub Jusuf. Seine Schriften sind leider verloren, mit einer Ausnahme: Den zur Falasafa des Islam gehörenden Romans „Hayy ibn Yaqzan“ (erwähnenswert ist, dass er der Lehrer und Förderer des größten islamischen Philosophen, Abu Walid Ibn Rushd war, dessen Aristoteles-Kommentar bis heute als einer der Besten gilt).
„Der
lebende Sohn des Wachenden“ wird als Säugling in einem Bastkorb auf eine
einsame Insel verschlagen (Anklänge an die Moses-Geschichte sind unverkennbar).
Dort, auf der einsamen Insel (ein Symbol für den Rückzug des Gelehrten), wird
er von einer Gazelle groß gezogen. Den Altersstufen entsprechend entwickelt er
eine Zeichensprache und erwirbt allein durch genaue Beobachtung und Experimente
alle Wissenschaften - ohne Lehrer. Als er fünfzig Jahre ist, entdeckt er den islamischen
Gott - er nennt ihn „Das notwendig Seiende“. Dieses Seiende durchwirkt das
Weltall, und ist in jedem Menschen „als das Licht vorhanden“. Dieser Roman
wurde bereits im Mittelalter ins Lateinische übertragen und löste sogleich heftigste
Diskussionen aus. In der Neuzeit gilt er als einer der wichtigsten Anstösse der „Aufklärung“.
Von Leibniz über Defoe bis Lessing
wurde er rezipiert und verarbeitet. 1674 wurde er von dem Quäker Keith aus dem
Arabischen ins Englische übersetzt. Den Quäkern fiel sofort die Ähnlichkeit
ihrer Lehre „von dem, was von Gott in uns ist“ und der islamischen Vorstellung
Hayys auf. 1676 schrieb Robert Barcley seine „Apologia der wahren christlichen
Gottesgelehrsamkeit, wie sie von jenen geboten und gepredigt wird, die man im
Zorn Quäker nennt“. Der Verfasser gibt darin eine Zusammenfassung das Romans
und betont, dass „darin das beste und sicherste Wissen von Gott“ sei. Es finde
sich darin die beste Beschreibung der „Vereinigung des menschlichen Geistes mit
dem Höchsten Intellekt“. Das Innere Licht, die Gnade, ist ihm zufolge allen
Menschen gegeben. Alle Menschen können durch das innere Licht gerettet werden: „Öffnet
die Quelle in Euch! Es bedarf dazu nicht der etablierten Religionen“. Die
Quäker dieser Zeit nahmen all dies enthusiastisch auf, später wurde es vergessen
(Quelle für die Quäkergeschichte: O. Best, Nachwort zur deutschen Ausgabe des
Hayy unter dem Namen „Der Ur-Robinson“. Es gibt jetzt eine moderne und genauere
Übersetzung unter dem Titel „Der Autodidakt“).
Doch kehren wir zurück zu dem
Übersetzer, George Keith. Wer war dieser Gelehrte, von dem man bei Quäkern so
selten hört? Wer das folgende zu Ende liest, wird erfahren, warum:
George Keith stammte aus
Aberdeen, Schottland. Dort wurde er auf dem Anwesen Keith Hall in Aberdeenshire
1638 geboren. Er besuchte das Marischal College und studierte dann Philosophie
und Theologie, auch in der Mathematik war er bewandert. 1657 erlangte er den MA
an der Universität von Aberdeen. Seinen Lebensunterhalt bestritt er zunächst
als Informator (Hilfslehrer) in adeligen Haushalten. Dann wurde er als Landvermesser
und Mathematiker von der Scottish Kirk eingestellt, in der er bereits erste
kontroverse Predigten hielt. 1671 heiratete er Elizabeth (geb. Johnson, auch
Johnston). Das Paar hatte drei Töchter.
Um 1662 war Keith mit Quäkern in
Kontakt gekommen, seit 1664 bekannte er sich zu deren Grundsätzen. Seit dieser
Zeit wurde er bis etwa 1680 als solcher verfolgt und in England zeitweise
inhaftiert. Als der Lehrer Christopher Taylor nach Nordamerika emigrierte und
dessen Stelle an der Schule von Edmonton (Middlesex) frei wurde, folgte ihm
Keith um 1682 auf diesem Posten nach. Hier arbeitete Keith jedoch nur kurze
Zeit, denn noch vor seiner eigenen Emigration gründete er in Theobalds
(Hertfordshire) eine eigene Schule, wo u.a. auch Robert Barclay d. J. (1672-1747)
unterrichtet wurde. In Theobalds wurde Keith verfolgt, weil er offensichtlich
keine Lizenz zum Führen der Schule besaß, die keinem Quäker, unabhängig von
seiner Qualifikation, ausgestellt wurde.
Für die Geschichte des Pietismus
ist die Teilnahme von Keith an einer Deutschlandreise 1677 von Bedeutung. Am
25. Juli 1677 war er und seine Frau Elizabeth (Johns(t)on) mit bedeutenden
Quäkern seiner Zeit, wie George Fox (1624-1691), Robert Barclay (1648-1690),
William Penn (1644-1718), John Furly (1618-1686) und dessen Bruder Benjamin
(1636-1714), William Tallcoat, George Watts und Isabel Yeomans (geb. 1637, eine
Tochter von Margaret Fell, 1614-1702), zu einer Europareise aufgebrochen. Das
Ehepaar Keith verließ Amsterdam, wo Keith mit dem Radikalpietisten Johann Georg
Gichtel (1638-1710) zusammengetroffen war, mit dem Ziel, die Pfalzgräfin
Elisabeth (1618-1680) und die Pietisten in Frankfurt am Main aufzusuchen. Am
18. August 1677 trafen Keith und seine Begleiter von Herford, Paderborn, und
Kassel kommend in Frankfurt ein. Sie blieben bis zum Nachmittag des 22. August
und hielten mit lutherischen wie reformierten Pietisten gemeinsame Andachten.
Nach einer letzten öffentlichen Versammlung bei Jacob van de Walle verließen
die Quäker am Abend des 29. August Frankfurt und machten sich über Mainz auf
die Rückreise.
Keith sah seine weitere Zukunft
nicht in England. Er wanderte 1684 von seinem letzten Wohnsitz, Aberdeen, nach
New Jersey aus und ließ sich nahe Freehold im Monmouth County nieder. 1685
wurde er zum Surveyor-General der britischen Kolonie ernannt und war für
Landvermessungen zuständig. Auf Keith geht die „Province Line“ zwischen Ost und
West Jersey zurück. 1689 zog er mit seiner Familie nach Philadelphia, wo er,
als Schulleiter, Latein an einer Quäkerschule unterrichtete. Er war von Penn
hierher gerufen worden, der in ihm einen „out of town expert“ zur Lösung
verschiedener Probleme sah - doch die unbestreitbare Expertise des Keith führte
zu einem ganz anderen Ergebnis, als Penn es erwartet hatte. Es stellte sich
heraus, dass sich die Quäker von Philadelphia nicht von einem Ortsfremden
belehren lassen wollten, der ihnen von einem Engländer geschickt worden war.
Penn hatte über seine eigene Kolonie nie die Autorität, die ihm die späteren
Biographen verklärend zuschrieben: Schon nach kurzer Zeit kam es zu
Auseinandersetzungen innerhalb und außerhalb von Quäkerversammlungen. Keith
prangerte unbeirrt in Traktaten die verlogene und selbstgefällige Lebensweise
der Quäkeraristokratie in Philadelphia und deren Sklavenhalterei an. Auch
kritisierte er, dass die Quäker sich allzu häufig hinter Verfahrensfragen
verstecken würden, um inhaltliche Stellungsnahme zu umgehen. 1690 brach er mit
den Quäkern und gründete eine eigene Gemeinde, die von den Gegnern als
„Keithians“, „Keithian Quakers“, „Baptist Quakers“ oder „Separatisten“
(„Separatists“) benannt wurde. Die Abspaltung um Keith nannte sich selbst
hingegen „Christian Quakers“. Dies tat sie nicht, um sich selbst den sonstigen
Quäkern gegenüber als “christlich” hervorzuheben, sondern um den Vorwurf, den
Boden des Christentums verlassen zu haben, zu entkräften. Während die Quäker in
Rhode Island Keith fast geschlossen folgten, opponierte vor allem das mächtige
Philadelphia Yearly Meeting unter ihren Wortführern Samuel Jennings (gest.
1708) und Thomas Lloyd (1639/40-1694). Diesen warf Keith vor, zu sehr in die
Privatsphäre der Mitglieder sanktionierend einzugreifen, bei Glaubensfragen
aber eine laxe Indifferenz walten zu lassen. Ihm hingegen lag daran, dass sich
neue Mitglieder zu Christus verpflichten sollten und er war der Überzeugung,
alle Quäker würden einer Liste seiner christlichen „Grundwahrheiten“
beipflichten. Insbesondere beinhaltete die Verpflichtung zu Christus ein
Bekenntnis zu dessen Gottheit, was einige Quäker in Philadelphia nicht länger akzeptierten.
Das „Innere Licht“ sollte, so Keith, vor allem nicht höher gewertet werden als
die biblischen Wahrheiten, denen stets der Vorzug gegeben werden müsse. Das
eigentliche Problem war also, dass nicht Keith, wohl aber die Quäker von
Philadelphia von den Grundsätzen des frühen Quäkertums abwichen, gleichzeitig
aber jeder Diskussion darüber auswichen: Mit einer zu vier Stimmen wurden die
Schriften von Keith vom Philadelphia Yearly Meeting der Zensur unterworfen.
Auch waren die Quäker, die inzwischen auf beiden Seiten des Atlantiks toleriert
wurden, an einer neuerlichen Radikalisierung der Quäkerbewegung wenig
interessiert. Wäre Keith 200 Jahre später geboren, hätten seine Ansichten unter
den evangelikalen Quäkern Zustimmung statt Ablehnung erzeugt. Keith ist es zu
verdanken, dass sich, nachdem die Wogen des Streits sich wieder glätteten, die
amerikanischen Quäker, zumindest in Teilen, doch dem Evangelikalismus öffneten,
der Triumph der Orthodoxie war nur von kurzer Dauer.
Der Konflikt hätte auch zu einem
anderen Ergebnis als der Spaltung geführt, wenn Keith konzilianter und
diplomatischer aufgetreten wäre. Keith jedoch war ein Hitzkopf und Streitgeist
der besonderen Art. Gegenüber einem Komitee eines Quarterly Meetings, das zu
seiner „Ermahnung“ einberufen wurde, meinte er, man fände „more damnable
heresies and doctrines of devils among the Quakers than among any profession of
Protestants“, was den elitären moralischen Führungsanspruch der Quäker,
insbesondere in ihrer Hochburg Philadelphia, radikal in Frage stellte. Seine
Gegner bezichtigte Keith der Lüge und der Häresie, sowohl in seinen scharfen
Predigten als auch in seinen Schriften. Damit erweist sich Keith ganz als
Vertreter der ersten Quäkergeneration, die Provokationen regelrecht
herbeiführten in der festen Überzeugung, die Wahrheit müsse sich durch
vehementes Eintreten für dieselbige durchsetzen. Die Schärfe von Keith führte
nun bei den Quäkern Philadelphias zu gleichem Verhalten, die Kontroversen,
Diffamierungen und taktischen Winkelzüge auf beiden Seiten schaukelten sich
mehr und mehr hoch. Wurden ansonsten Querelen unter Quäkern intern geregelt,
scheute man sich in Philadelphia nicht, die öffentlichen Gerichte anzurufen.
Keith wurde schließlich von einem Teil der Quäker wegen ‚seditious libel“,
aufrührerischer Verleumdung, angeklagt. Durch persönliche Beziehungen waren die
Gerichte fest in Händen der Quäker. Gerade hier setzte die Kritik von Keith an,
da er den Magistratsangehörigen, die häufig auch „Ministers“ (Prediger) bei den
Quäkern waren, vorwarf, im politischen Bereich Delinquenten mit Gewalt
festzusetzen, im religiösen Bereich jedoch das duldsame friedfertige Ertragen
des Bösen zu vertreten. Das spektakuläre Gerichtsverfahren Quäker vs. Quäker
hatte aber zur unerwarteten Folge, dass der Name Keith bald weit über
Philadelphia hinaus bekannt wurde. – Vom Philadelphia Yearly Meeting wurde
Keith schließlich, nicht wegen theologischer Irrlehren, sondern wegen
unmoralischen Lebenswandels zur persona non grata erklärt und auf der
Jahresversammlung zu Burlington 1692 ausgeschlossen. Bis heute ist das
Verfahren um den Ausschluss strittig, da Keith zuvor nicht zum „Meeting for
Discipline“ vorgelassen wurde, seinen Anhängern die Teilnahme an der
Jahresversammlung untersagt wurde, Redebeiträge, die sich für Keith
aussprachen, spektakulär unterdruckt wurden. Sein Ausschluss war letztlich eine
abgemachte Sache weniger, aber einflussreicher Quäker, der Prozess ohne zugelassene
Verteidigung erinnert mehr an ein Inquisitionsverfahren als an ein ernsthaftes
Bemühen um Wahrheitsfindung. Eine zwielichtige Rolle spielte vor allem eine
Deklaration gegen Keith von 28 Mitgliedern des Quarterly Meetings vom 20. Juni
1692. Diese Deklaration - eine Art quäkerische Exkommunikation - wurde von
Eiferern in vielen Quäkerversammlungen verlesen, um die gewünschte Stimmung
gegen Keith herbeizuführen. Daraufhin unterschrieben siebzig Mitglieder eine
Gegendeklaration, die beinhaltete, dass Keith an der Trennung keine Schuld trage
und die 28 Mitglieder ihre Vorwürfe zurückziehen sollten. Zuvor war über zwei
Jahre intensiv über das verfahrenstechnische Prozedere gestritten worden, wobei
die inhaltlichen Fragen mehr und mehr in den Hintergrund gerieten. Somit wurden,
wie häufig in Kontroversen jeglicher Art, die eigentlichen und fundamentalen
Streitpunkte unbearbeitet gelassen, anstatt sie in einer sachlichen und
maßvollen Weise zu lösen. Am 25. Mai 1695 wurde Keith, der 1693 nach England
zurückgekehrt war, auch vom London Yearly Meeting ausgeschlossen, nachdem
aufgehetzte Quäker aus Amerika in der Londoner Versammlung ihre Vorwürfe
vorgetragen hatten und die englischen Quäker aus Lethargie oder personeller
Verbindungen wegen es unterlassen hatten, genaue Erkundungen über den Fall
einzuholen. Da man sich auch hier nicht zu klaren theologischen Aussagen
durchringen konnte, wurde in dem Ausschlusszeugnis ausdrücklich vermerkt, dass Keith nicht wegen seiner Religionsansichten, sondern wegen seines angeblich
ungebührlichen Verhaltens und der aggressiven Weise seines Auftretens
ausgeschlossen werde. In England gelang es Keith wie zuvor in Nordamerika,
Anhänger um sich zu versammeln, wie etwa den Quäkerautor Thomas Crisp. Das
„separate Meeting“ Londons traf sich in Turners’ Hall in der Philpot Lane. Noch
1696 beanspruchte Keith, mit dieser Gruppe das Quäkertum zu vertreten. Kurz
darauf muss Keith sich innerlich, dann äußerlich, vom Quäkertum abgewendet
haben: Zur Überraschung aller trat Keith, zusammen mit seiner Frau, 1700 wieder
in die Church of England ein und wurde sogleich am 12. Mai 1700 vom Bischof von
London zum Diakon geweiht. Er war der bislang erste und wohl auch einzige
ehemalige Quäker, der diese Würden erlangt hatte. Zwei Jahre darauf zog er
erneut nach Nordamerika, diesmal, um für die „Society for the Propagation of the
Gospel“ zu werben. In Burlington legte er 1703 den Grundstein zum Bau der
großzügig ausgestatteten St. Mary’s Episcopal Church, was er wenige Jahre vorher
noch scharf abgelehnt hätte. Viele Quäker, sowohl seine ehemaligen Anhänger als
auch Gegner, schlossen sich gerade in New Jersey dem Episkopalismus an. Keith
reiste unermüdlich fast zwei Jahre von New Hampshire bis nach South Carolina
und warb in Quäkerversammlungen für seine neue Glaubensgemeinschaft, sehr zum
Verdruss der Quäker, die sich bereits an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert
in einer lähmenden Stagnationsphase befanden, die auch als Quietismus bezeichnet
wird.
1704 kehrte Keith nach England
zurück und verbrachte den Rest seines Lebens in Edburton (Sussex), wo er als
Rektor einer angesehenen Schule vorstand. Er war auch Pastor der örtlichen
Gemeinde, in der sein hartes Einfordern des Kirchenzehnten zu gerichtlichen
Auseinandersetzungen führte. Weiterhin beschäftigte ihn auch die
Auseinandersetzung mit dem Quäkertum, die Vorwürfe und Beschuldigungen von
beiden Seiten waren an Heftigkeit kaum zu überbieten. Er schreckte selbst nicht
davor zurück, eine seiner eigenen Schriften, nämlich „A discourse on prayer and
devotions, publick and private, shewing what we ought to pray for, and what
not. With the fundamental truths of Christianity briefly hinted at” (1704) als
ein Produkt seines Gegners Barclay auszugeben.
Die letzten drei Lebensjahre
waren von Krankheiten überschattet, Keith wurde lahm und bedurfte vielfältiger
Hilfen. Das halbe Jahr vor seinem Tode 1716 konnte er sein Bett nicht mehr
verlassen. Dass er in dieser Lage seine „anti-Quaker principles“ widerrufen
habe, wurde sowohl behauptet als auch bestritten.
Waren Keith und seine Anhänger um
1700 eine äußerst umstrittene Gruppierung, die wohl die meisten Streitschriften
innerhalb des Quäkertums um eine einzelne Person provozierte, so ist die
Auseinandersetzung von der heutigen Quäkerforschung bislang so gut wie nicht
wahrgenommen worden. Über Keith wurde die damnatio memoriae verhängt. Bis heute
fehlt es an wichtigen Detailstudien, allein die Biographie von Ethyn Williams
Kirby aus dem Jahre 1942 brachte grundlegende Erkenntnisse.
Keith zählte, bis zu seinem
Ausschluss, mit William Penn und Robert Barclay zu den gelehrten Quäkern der
zweiten Generation, die die Erfahrungen der ersten Quäker in ein möglichst
weites theoretisches Gerüst fassten. In Amerika war er zu seiner Zeit ein
intellektuell herausragender Quäker. Wäre er 1690 verstorben, so würde er heute
als Quäker-Klassiker einen hohen Rang einnehmen. Zeitlebens änderte Keith immer
wieder seine Ansichten, er blieb flexibel und kann keiner bestimmten Richtung
zugeordnet werden. Er vertrat - als Lehre der Quäker - frühzeitig nach seinem
Zusammentreffen mit Ann Finch Conway (1631-1679) und dem Cambridger Platonisten
Henry More (1614-1687) die Lehre von der
Seelenwanderung. Zutreffend wurde hierzu bemerkt, dass Keith es damit gelang,
die Legitimität des Quäkertums als eine christliche Lehre zu begründen, indem
er auf die ursprünglich kabbalistische Doktrin der Seelenwanderung rekurrierte. Hier liegen aber auch Einflüsse vor, die sich nicht
ohne Keiths Übersetzung von „Hai Ebn Yokdan (Hayy ibn Yaqzan)“ (1674) des
arabischen Gelehrten Ibn Tufail (1105-1185) erklären lassen. Die Seelenwanderung war zuvor bereits von
Mercurius van Helmont (1614-1699) in das Quäkertum gebracht worden. Beide
kannten sich persönlich, Van Helmont hatte sich
bereit erklärt, George Keith 1678 bei der Beantwortung mehrerer
niederländischer Streitschriften behilflich zu sein. Auch in Amerika
vertrat und verbreitete Keith seine christliche Seelenwanderungslehre. Neu war
nun, dass er inzwischen die körperliche Auferstehung erwartete und vom nahen
Eintreffen des apokalyptischen Endes überzeugt war.
Die wichtigste Schrift von Keith
lautete „Immediate Revelation“. Die erste Auflage erschien 1668 in Aberdeen,
eine überarbeitete zweite Auflage 1675 in London. Ähnlich wie More, mit dem
Keith lebenslang befreundet war, vertrat er darin eine Christologie um die
Lehre von der „immediate objective revelation“, die von Pietisten in
Deutschland bereitwillig übernommen wurde. Zentrale Aussage des Buches war die
These, dass die Seele von Christus sich buchstäblich durch die gesamte Schöpfung
ziehe (siehe auch „The Way Cast Up“, um 1677). Christus, so Keith, sei der
Mediator zwischen Gott und der Schöpfung, der Ursprung des erschaffenen
Universums („radix est universae creaturae“) sowie die erste Emanation Gottes
(„emanatio prima dei“). Seine Verbindung mit der menschlichen Seele erkläre sich,
gemäß der kabbalistischen Lehre, mit der Idee von Arkhim (eine Verknüpfung von
Zeir Anpin und Arik Anpin). Würden nun die Juden anerkennen, daß Arik Anpin aus
der Kabbala identisch mit dem äußeren Christus sei, dann wäre eine wichtige
Voraussetzung ihrer Bekehrung gegeben. Dass nicht bereits solche Gedanken zum
Ausschluss von Keith aus der Quäkergemeinschaft führten, sagt etwas aus über die
Toleranz des frühen Quäkertums in seiner Findungsphase, sowie über seine außerchristlichen
Strömungen um die Jahre 1660 bis etwa 1680.
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