In alten Zeitschriften findet man manchmal die interessantesten Meldungen. In der angesehenen Vossischen Zeitung brachte die Nummer 146 aus dem Jahre 1721 eine für die Quäker-Geschichtsforschung - und nicht nur für diese - spannende Nachricht, die ich hier im Wortlaut wiedergebe:
Halberstadt, den 26. Novemb. Verwichenen Freytag ist alhier das fameuse Frauens-Mensch aus Halle gebürtig, namentlich Maria Lincken, auf dem Marckt durch das Schwerdt gerichtet worden, welche vor einigen Jahren nicht allein als Soldat unter verschiedenen Trouppen im vorigen Brabantischen Kriege Dienste gethan, sondern auch ehemals als ein Deserteur hat sollen aufgehenket werden, aber da sie als eine Weibs-Person erkant, pardoniret worden; diese hat sich alhier als eine Mannes-Person mit einer Weibes-Person öffentlich proclamiren und copuliren, auch nachhero ferner in Helmstedt als eine Quäckerin, angegeben und öffentlicher weise noch einmal tauffen lassen, worüber sie ertappet, und den verdienten Lohn erhalten hat".
Der Bandwurm-Satz bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Wir haben es offensichtlich mit einem komplizierten Fall zu tun, wohl auch mit einer komplizierten Frau. Diese hat, als Mann verkleidet, mehrere Jahre beim Militär gedient - nichts ganz ungewöhnliches zu einer Zeit, als das Militär der größte staatliche Arbeitgeber gewesen war. Ähnliche Fälle sind aus der Geschichte durchaus bekannt. Dann aber hat diese Frau, Maria Linck, sich mit einer anderen Frau verheiratet - sicherlich nicht kirchlich. In Halberstadt hat sie sich dann als Quäkerin ausgegeben, und sich gleich nochmals taufen lassen, was nicht gerade Usus der Quäker im 18. Jahrhundert war. Dass aber einzelne Personen über deutschsprachige Traktate und auch Besuchsreisen mit englischen Quäkern Berührung hatten, ist in der Forschung in den letzten 20 Jahren hinreichend belegt. In Halberstadt, einem Zentrum des Pietismus, kann dies durchaus der Fall gewesen sein. Die arme Frau, die eigentlich nichts verbrochen hat, wurde mit dem Schwert hingerichtet. Unklar ist, ob dies wegen der (angeblichen) zweiten Taufe, wegen ihres Quäkertums oder wegen ihrer gleichgeschlechtlichen Ehebeziehung geschah - vermutlich auch aus einem Bündel dieser und noch anderer "Vergehen".
Leider bin ich auf absehbare Zeit nicht in Halberstadt, doch werde ich diesen Fall im Auge behalten. Mehr dazu erfahren kann man in dem Buch "In Männerkleidern" von Angela Steidele (Böhlau-Verlag Köln, 2004).
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