20121219

Quäker der Woche (25): Pierre Ceresole


Source: wikimedia
Pierre Ceresole wurde am 17. August 1879 als der Zweitjüngste von sechs Brüdern und drei Schwestern in Lausanne geboren. Seine Familie war wohlhabend. Sein Vater Paul Ceresole war einst Colonel der Schweizer Armee, arbeitete dann als Schweizer Bundesrichter und war Mitglied des obersten Gerichtes der Schweiz in Lausanne. Er betätigte sich auch im Bundesrat und war Mitglied der schweizerischen Landesregierung. 1873 war er Bundespräsident. Seine Ehefrau Emma Ceresole verstarb 1888, was besonders für Pierre Ceresole ein herber Verlust war. Der talentierte Sohn erhielt eine sehr gute klassisch-humanistische Ausbildung am Kollegium zu Lausanne. Im Alter von siebzehn Jahren hatte er 1896 ein eigenartiges Erlebnis: Während eines Spaziergangs im Wald von Gantenaz sah er einen „blendenden Lichtblitz“, den er als Wahrheitsvision oder Dienstauftrag der Wahrheit beschrieb.
Dieses Erlebnis beschäftigte ihn sein gesamtes Leben und er beschloss, sich ganz in den Dienst der Wahrheit zu stellen. Ansonsten war der junge Ceresole kirchlich fromm und nahm mit großem Ernst am Religionsunterricht teil. Mehrmals hat er vollständig die Bibel gelesen. 
Eine Zeitlang spielte er mit dem Gedanken, Theologe zu werden. Doch schon früh plagten ihn Zweifel am Determinismus, von welchem die Lehre der reformierten Kirche geprägt war. Dies führte zu einer intensiven Beschäftigung mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung, um die Unmöglichkeit eines absoluten Determinismus zu beweisen. Mit der Absicht, Ingenieur zu werden, studierte Ceresole Mathematik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. 1903 erwarb er mit einer Arbeit über die Bewegung eines materiellen Punktes auf einer gleichförmig rotierenden Fläche den Doktortitel. Im Ingenieursberuf sah er die Möglichkeit, seinen Nächsten konkret helfen zu können. Von seiner Familie und Umgebung wurde von ihm eine hervorragende Karriere erwartet, und er hatte alle Voraussetzungen dazu. Jedoch war er weder an Geld noch an Einfluss interessiert. Zwar war er bereits 1905, nach kurzen wissenschaftlichen Studien in Deutschland - unter anderem in Göttingen, dann in München bei Professor Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) - als Privatdozent am Züricher Polytechnikum tätig, und 1908 wurde ihm die Vertretung eines Dozenten übertragen - doch sein inneres Leben blieb unbefriedigt. 1909 wurde ihm eine Professur angetragen, was er ablehnte. Nichts erschien ihm grausamer, als seine restliche Lebenszeit zwischen Seminarräumen, in endlosen Gremien und dem Verfassen unnötiger Spezialstudien zu vertun. Ceresole entschied sich für das Leben. Sein Interesse am Menschen brachte ihn in ferne Länder. 1910 gelangte er zusammen mit einem seiner Brüder in die USA. Hier arbeitete er unter bislang ungewohnten Bedingungen als Erntehelfer, in einer Hühnerfarm und in den Ölraffinerien Westpennsylvaniens. Unter anderem verdiente er sein Geld als Totengräber, wo er zum ersten Mal mit Spaten und Schaufel umging. Diese Werkzeuge sollten in seinem späteren Leben einmal sehr wichtig werden. Mit einer Schaufel bewaffnet, die zu einer Art Markenzeichen Ceresoles wurde, wanderte er durch die Staaten, bis er schließlich San Francisco erreichte. Im Oktober 1910 heuerte er auf dem Dreimaster „Rithet“ an, der ihn nach Honolulu brachte. Auf Hawaii war zu dieser Zeit Handarbeit für einen Weißen nicht zu finden, so dass er seinen Lebensunterhalt mit Lesungen über französische Literatur an der dortigen Universität verdiente. Er fand schnell Eingang in die höchsten Kreise des Inselstaates und wurde ausgewählt, der althawaiischen Königsfamilie Mathematikunterricht zu geben. Die fürstliche Entlohnung von 15.000 Dollar nahm Ceresole nicht an, sondern ließ sie einem sozialen Projekt des armen Landes zu Gute kommen. Hier in Honolulu verliebte er sich in eine vier Jahre ältere verheiratete Frau, die mit seinen Gefühlen offensichtlich wenig sorgsam umging. Schwer enttäuscht löste er sich von dieser Person, ohne eine weitere Bindung einzugehen. Erst nach 25 Jahren traf er auf einer Besuchsreise diese Frau ein zweites Mal. Zeit seines Lebens pendelte er zwischen den Extremen einer fast vergötternden Verehrung angeblich „weiblicher“ Tugenden und andererseits eines Interesses für die Frauen aus Unterschichten und Bordellen. Nach diesem bitteren Erlebnis schien alles für Ceresole verloren: er hatte seine Heimat verlassen, er hatte seine Karriere aufgegeben, er befand sich außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft und musste die Unmöglichkeit einer großen Liebe einsehen. 
Im September 1912 verließ Ceresole Hawaii und reiste weiter nach Japan, zunächst nach Yokohama und Tokio. Ab März 1913 arbeitete er für zwei Jahre als Ingenieur für die Schweizer Filiale der Maschinenfabrik Gebrüder Sulzer aus Winterthur. Hier in Japan begann er, sich für andere Religionen zu interessieren, so für den Buddhismus, welchen er in Kioto kennenlernte. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, kehrte er im September gleichen Jahres über Schanghai und Hongkong in die Schweiz zurück, er will sich in der Heimat irgendwie nützlich machen. Anfangs fiel es ihm sehr schwer, sich zu reintegrieren, er fühlte sich in seiner Heimat wie in der Fremde. Inmitten dieser Krisenzeit verstarb sein Vater. Pierre Ceresole vermachte seinen Erbanteil dem Staat, da er der Ansicht war, ihm persönlich stehe dieses Geld nicht zu. Die Summe wurde vom Bundesrat an den Notstandsfond für Hilfebedürftige überwiesen. Später vermachte Ceresole auch das Erbe zweier seiner Brüder verschiedenen Hilfseinrichtungen. Seinen eigenen Lebensunterhalt verdiente er in der Maschinenfabrik Brown, Boveri & Co. in Baden (Kanton Aargau), in welcher er seit Januar 1915 als Ingenieur für Turbinen arbeitete. Wie viele Intellektuelle seiner Generation stand er dem Ersten Weltkrieg zunächst nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, sondern sah in der gewaltigen Vernichtung auch etwas Heroisches, zumal er hoffte, die ihm verhasste Welt der Lügen, Korruption und Mittelmäßigkeit, wie Ceresole zu dieser Zeit seine Umwelt verurteilte, würde untergehen. 
1915 verweigerte John Baudraz (1890-1968), ein junger Lehrer, den weiteren Militärdienst. Der Mann stammte aus Ceresoles Heimat, dem Kanton Waadt, und seine entschlossene tiefreligiöse Haltung hinterließ bei Ceresole einen nachhaltigen Eindruck. Er war nicht militärpflichtig, da er bei seiner Rekrutierung aus Gesundheitsgründen als nicht diensttauglich befunden wurde. So entschloss er sich, hinfort die Militärdienst-Ersatzsteuer, die auch Wehruntaugliche zu leisten hatten, nicht länger zu zahlen. Erstmals tat er dies am 17. Juli 1916, und bereits ein halbes Jahr später wurde er deswegen zu einer kurzen Haftstrafe im Gefängnis zu Baden verurteilt, obwohl Ceresole wusste, das dies seine weitere Karriere ruinieren würde. Bis zu seinem Lebensende war er wegen solcher Verweigerungen häufig im Gefängnis. Allein im Alter von 62 bis 66 Jahren wurde er sechs Mal arretiert. Leid empfand er darüber nicht, eher eine gewisse Befriedigung, Solidarität mit anderen Kriegsdienstverweigerern zeigen zu können. Besonders Christen, so empfand er, sollten vom Krieg Abstand nehmen. In seinem Freundes- und Bekanntenkreis machte er zunächst seine Meinung publik und sammelte einen Kreis von Anhängern. Zu diesen gehörte auch die Quäkerin Hélène Monastier (1882-1976), die seit ihrer Kindheit körperlich behindert war und ihre ganze Kraft und Energie den pazifistischen und humanitären Idealen Ceresoles zur Verfügung stellte. Spektakulär war ein Auftritt Ceresoles am 18. November 1917, an dem er in der französischen Kirche in Zürich nach der Predigt des Pfarrers William Cuendet eine Rede gegen den Krieg hielt, die bei den Zuhörern einen tiefen Eindruck hinterließ. Nicht weniger spektakulär und gefährlich war ein illegaler Grenzübertritt Ceresoles im Wald zu Schaffhausen vom Schweizer Hoheitsgebiet aus in das Großherzogtum Baden am 3. August 1918. Der Zweck dieser Aktion ist nicht ganz klar, offensichtlich hatte Ceresole das Ziel, erneut in einer Kirche gegen den Krieg zu predigen. Ohne Pass wurde er von Landsturmleuten festgenommen, in Konstanz verhört und in die Schweiz zurückgebracht. Diese Aktion wurde von Ceresole Anfang 1933 wiederholt. Diesmal war seine Absicht, den Nationalsozialismus kennenzulernen. Er wollte Adolf Hitler in Berlin treffen, und gelangte immerhin bis nach Stuttgart. Dort geriet er ungeplant in eine Feier des 246. Regiments und hielt spontan vor den Soldaten eine Rede über die Notwendigkeit des Pazifismus. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz wurde er dort für einige Tage eingesperrt. Einen dritten Grenzübertritt unternahm er am 1. Dezember 1942. Er wurde sogleich festgenommen und in Waldshut von deutschen Sicherheitskräften drei Wochen inhaftiert. Im Juli 1943 und im Herbst 1944 unternahm er ähnliche Aktionen, diesmal wurde er von schweizerischen Behörden verhaftet und saß zwei Wochen in Schaffhausen in Haft. Selbst im hohen Alter ließ er nicht davon ab, seine Umgebung zu provozieren. Unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Schweiz Verdunklungsübungen durchgeführt, bei denen die Bevölkerung alle Lichter zu löschen hatte. Pierre Ceresole beteiligte sich nicht daran. Er kündigte in einer Zeitungsannonce an, dass er sich mit einer Kerze in eine Kirche setzen werde. Lehnte er auch ansonsten Kirchen ab, hier dienten sie ihm seinen Inszenierungen, die den Zweck hatten, später lange und ausführliche Reden vor Gericht halten zu können, um sein Gewissen zu erleichtern. In einer anderen Annonce kündigte er 1940 an, am Ostersonntag vor einer Kirche den Besuchern die Frage „Wollen wir töten?“ zu stellen, wobei er sich auf göttlichen Befehl zu solchem Tun berief. Er wurde verhaftet, bevor er diese Aktion durchführen konnte. Ein Jahr später wurde er gewaltsam aus einer Kirche geschafft, da er nicht auf das großzügige Kompromissangebot des Pfarrers, erst nach und nicht vor dem Abendmahl eine Antikriegsrede zu halten, eingehen wollte. Am 20. Mai 1941 wurde er wegen Störung eines Gottesdienstes zu acht Tagen Gefängnis verurteilt. 
1918 hatte er seine Stellung bei Brown, Boveri & Co. gekündigt und trat eine Stelle als Lehrer für Mathematik, Physik und Zoologie in dem privaten Schulheim „Les Pléiades“ an. Er war ein genauer und sachlicher Lehrer, der für seine Strenge gefürchtet und für seine Gerechtigkeit geachtet war. 1919 nahm er am ersten internationalen Treffen des Versöhnungsbundes in Bilthoven (Holland) teil, wo er mit Mathilda Wrede (1864-1928), Lilian Stevenson und Leonhard Ragaz (1868-1945) zusammentraf. Hier hatte er erstmals Kontakt zu Mitgliedern der Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker), die für einen konstruktiven, sozial ausgerichteten und versöhnenden Pazifismus standen. Der Pazifismus der Quäker und ihr praktischer Ansatz in der Friedensarbeit führte Ceresole zu einer konstruktiven Friedensarbeit, wenngleich er von seinen exzentrischen Aktionen nicht vollständig lassen wollte und konnte. Das spiegelt sich vor allem in seinen privaten Aufzeichnungen, die ab 1920 einen konzilianteren Ton annehmen. Ceresole war der Meinung, dass diejenigen, die zum Töten ausgebildet worden waren, statt dessen zum Wiederaufbau ausgebildet werden müssten. Ceresoles Ideen wurden bald in die Wirklichkeit umgesetzt. Gemeinsam mit dem Quäker Walter Koch, dem Pfarrer Maurice Vuilleumier, der Holländischen Pazifistin Maria van Linden und dem englischen Quäker Hubert Parris wurde im Sommer 1920 der Internationale Zivildienst ins Leben gerufen. Ceresole begab sich nach Esnes (nahe Verdun), um dort einen Zivildienst in einer zerstörten Umgebung, die noch einige Jahre zuvor als Schlachtfeld gedient hatte, anzuleiten. Er wurde von einigen Pazifisten aus Deutschland und Österreich begleitet, die der Versöhnung dienend, in Frankreich arbeiten wollten. Freiwillige aus England, aus Holland und aus der Schweiz schlossen sich an. Zusammen beseitigten sie im Winter 1920/21 unter schweren Bedingungen die Zerstörungen des Krieges und errichteten neue Häuser. Die gemeinsame Arbeit wurde jedoch im Sommer 1921 abgebrochen, da die Mitarbeit von Deutschen in Frankreich zu diesem Zeitpunkt nicht erwünscht war und sich ein europäischer Geist der Versöhnung nicht einstellen wollte. Nach diesem Projekt sammelte Ceresole Freiwillige aus verschiedenen Ländern um sich, um in der Schweiz Lawinenschäden zu beseitigen, so 1924 in der Ortschaft Vers l’Eglise am Col de Pillon. Dieses Projekt stieß auf große Zustimmung und die Zahl der Freiwilligen stieg. Im Herbst gleichen Jahres wurde in Someo im Maggiatal (Tessin), wo ein Erdrutsch großen Schaden angerichtet hatte, Hilfsarbeit geleistet. 310 Teilnehmer, darunter auch Arbeitslose, fanden sich trotz Wintereinbruch zusammen. 1926 wurde ein Hilfsdienst in Almens (Graubünden) durchgeführt, wo ein Wildbach Schaden angerichtet hatte. Zwischen 1929 und 1938 wurden 32 Arbeitslager allein in Frankreich, Deutschland und der Schweiz abgehalten. Zu den bedeutendsten Projekten zählte ein Wiederaufbauprojekt nach einem Dammbruch und einer Flutkatastrophe in Liechtenstein unter Anleitung des Ingenieurs Paul Schenker und Ernest Ceresole, dem Bruder von Pierre Ceresole von April bis Oktober 1928. Hier halfen über siebenhundert Freiwillige. Eine ähnliche Arbeit wurde von Mai bis September 1930 in Montauban (Südfrankreich) durchgeführt, wo ebenfalls Überschwemmungsschäden beseitigt wurden. 1931 wurde der erste Hilfsdienst in Großbritannien organisiert, wo in Brynmawr (Wales) mit dem Ziel, die drückende Arbeitslosigkeit durch neue Projekte zu mildern, über mehrere Jahre Gemeindearbeit geleistet wurde. 1931 leitete Ceresole einen Hilfsdienst in Klingnau (Aargau), und ein Jahr später in Safien (Graubünden), wo beide Male Naturkatastrophen Schäden verursacht hatten. 
Zwischen den Projekten unterrichtete Ceresole Französisch, Deutsch, Esperanto, Mathematik und Naturkunde an der internationalen Schule in Gland am Genfer See, die die englische Quäkerin Emma Thomas gegründet hatte. 1921 ergab sich wieder eine Gelegenheit, eine Professur zu erlangen: Die Universität zu Lausanne hatte ihn für den Lehrstuhl für Physik nominiert. Eine Bedingung war das Begleichen der rückständigen Militärsteuern. Ceresole sah sich aus moralischen Gründen nicht dazu in der Lage und lehnte ab. Von 1924 bis 1925 arbeitete er als Sekretär im Büro der Zentralstelle für Friedensarbeit, die Leonhard Ragaz in Zürich aufbaute. 1926 wurde er zum Geschichtslehrer an das Gymnasium von La Chaux-de-Fonds berufen. Nach öffentlichen Protesten und einem Einspruch der Kantonsregierung wurde von dieser Idee Abstand genommen, doch die Schulkommission berief ihn wiederum, dieses Mal zum Mathematiklehrer. Pierre Ceresole unterrichtete hier von 1926 bis 1934. In La Chaux-de-Fonds war er bereits 1928 von den Sozialdemokraten für den Großen Rat, das Parlament des Kantons Neuchatel, aufgestellt und gewählt worden. Da Ceresole den Eid auf die Kantonsverfassung nicht zu leisten bereit gewesen war, verzichtete er auf das Mandat. 
Schon im Herbst 1931 hatte Ceresole über Vermittlung von Romain Rolland (1866-1944) Mohandas Karamchad Gandhi (1869-1948) treffen können, bei dessen Rede in Pully (bei Lausanne) er als Dolmetscher diente. Gandhi machte auf ihn einen besonderen Eindruck und weckte sein Interesse an Indien. Nach einem schweren Erdbeben und einer Überschwemmung in Bihar (Nordindien) im Januar 1934 wurde dort ein internationaler Zivildienst angeregt. Im April des Jahres hielt sich Ceresole in Bombay auf, um die Lage zu sondieren. Nachdem durch eine Spendenaktion zehntausend Schweizer Franken aufgebracht worden waren, begannen Ceresole und einige wenige Europäer im Oktober mit den Arbeiten. Bis Juni 1935 und ein zweites Mal von November 1935 bis Juni 1936 hielt sich Ceresole in Indien auf und half bei Dammbauarbeiten und Umsiedlungsmaßnahmen von sieben Dörfern. Während dieser Tätigkeit kam es zu einem zweiten Treffen mit Gandhi. Die Hilfsarbeit unterstand einem gleichberechtigten englisch-indischen Komitee, obwohl das Land noch unter englischer Herrschaft stand. Nach seiner Rückreise über Amerika hielt sich Ceresole in Rom auf, wo er von Benito Mussolini (1883-1945) empfangen wurde. Beide sprachen über internationalen Zivildienst und einen möglichen bevorstehenden Krieg. Ab Sommer 1936 beschäftige Ceresole der Spanische Bürgerkrieg und dessen Flüchtlinge in Südfrankreich. Mit dem Präsidenten des englischen Zivildienstes, John Harvey, und dem Sekretär des schweizerischen Zivildienstes, Rodolfo Olgiati (1905-1986), baute er Hilfsdienste für Spanien auf. 
In Indien trat Pierre Ceresole am 9. September 1936 der Religiösen Gesellschaft der Freude (Quäker) bei. In seiner Begründung verwies er darauf, weder Dogmen noch theologische Lehrgebäude für richtig anerkennen zu wollen. Alle künstlichen Formen, Gott näherzukommen, wurden von ihm abgelehnt, selbst die Quäkerandacht. Die Göttlichkeit Jesu Christi lehnte er ab. Der entscheidende Grund zur Mitgliedschaft war, nicht länger ein Einzelgänger zu sein, sondern sich auf mehr menschliche Gemeinschaft einzulassen. Im Sommer 1937 nahm er als Delegierter der Schweiz am Welttreffen der Quäker in Philadelphia teil, wo er sein Zivildienstprogramm vorstellte. 
Nach der Rückkehr aus Indien war seine Gesundheit ruiniert. Er verlegte seinen Wohnsitz aus La Chaux-de-Fonds nach Neuchatel, wo sich Clara Waldvogel um ihn sorgte. Im Alter von sechzig Jahren fiel Ceresole nochmals eine Erbschaft von ca. zehntausend Schweizer Franken zu, und wieder ließ er die gesamte Summe sozial-karitativen Einrichtungen zukommen, nämlich einem Spital und einem Altersheim. Im Alter von 62 Jahren entschloss er sich, Lise David (gest. 1966), eine verwitwete Jugendfreundin und Lehrerin, zur Frau zu nehmen. Weihnachten 1941 fand die Ziviltrauung statt und anschließend eine Hochzeit in Tradition der Quäker. Beide wohnten auf dem Land in Le Daley (Lausanne). Ceresoles letzte Tätigkeit war die Leitung des Büros für Zivildienst in der Nachfolge von Rodolfo Olgiati. Im Sommer 1942 nahm er das letzte Mal bei einem Zivildienst in Feldis teil und half, auf ehemaligem Weideland Gemüsekulturen anzupflanzen. In der Nacht vom 21. zum 22. Februar 1945 erlitt er nach einer kurzen Haftstrafe in Bois-Mermet (Lausanne), die er wegen Weigerung zur Pfändung auf Grund der Nichtbegleichung seiner Kriegssteuerschuld abzubüßen hatte, einen Schlaganfall und litt an Herzbeschwerden. Zu seiner großen Freude erlebte er noch am 8. Mai 1945 das Ende des Krieges in Europa. Am 23. Oktober entschlief er friedlich. 
Der bleibende Verdienst Pierre Ceresoles ist die Initiierung des Zivildienstes, der heute in vielen Gegenden der Welt möglich ist und als Peace Corps in Amerika eine wichtige pazifistische Einrichtung darstellt, an der Männer wie Frauen unterschiedlichen Geschlechts, Rasse, Religion, Nationalität und Ausbildung gemeinsam sinnvolle Arbeit leisten können. Sein religiöser Glaube zentriert sich auf den Wahrheitsbegriff und auf praktisches Tun im sozial-karitativen Bereich. Dogmen, die Institution Kirche wie die verschiedenen Konfessionen werden abgelehnt. Ceresole war zweifelsfrei davon überzeugt zu wissen, was Wahrheit sei, und begründete sein gesamtes Tun aus dem Geiste der Wahrheit. Konflikten mit der Umwelt wurden von ihm nicht aus dem Weg gegangen, sondern bewusst gesucht oder herbeigeführt. Seine privaten Aufzeichnungen sind oftmals bitter und schrecken vor Verwünschungen und Beschuldigungen seiner Gegner nicht zurück. Ceresole war ein leidenschaftlicher Mensch. Die meisten seiner Schriften wollten die Zeitgenossen zum aktiven Handeln anhalten und klagen in verschiedener Form ungeschminkt die Ursachen und Folgen des Krieges an. Geradezu maßlos, pauschalierend und ungerecht ist sein Kirchenhass, offensichtlich von der Lektüre Friedrich Nietzsches (1844-1900) beeinflusst, was wohl eher das Gegenteil von Ceresoles Hoffnungen bewirkt haben dürfte. Wirksamer waren die von ihm mitorganisierten Arbeitseinsätze, die viele junge Menschen zusammenbrachten und zur Verständigung zwischen den europäischen Völkern in einer schweren Krisenzeit beitrugen. Heute ist Pierre Ceresole wenig bekannt. Seine Biographie ist in keinem der gängigen Schweizer Lexika aufgenommen.

(Erstveröffentlichung BBKL, Bd. 24, 2005, Sp. 423-432)

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