Am Mittwoch, den 28. November 2012, gibt es bei den Berliner Quäkern einen Gesprächsabend (bzw. wohl eher Leseabend) zu dem US-amerikanischen Quäker Thomas Kelly. Er zählt, mit Rufus Jones, zu den Vertretern der "Quäkermystik", die vor allem in Europa viele Anhänger hat, im evangelikalen Weltquäkertum aber kaum eine Rolle spielt. Es ist daher an der Zeit, sich etwas ausführlicher mit Thomas Kelly zu beschäftigen. Er hat zwar viel zu Mystik geschrieben, aber ob man ihn auch als solchen sehen sollte, vermag ich nicht zu entscheiden. Wer war Kelly eigentlich gewesen?
Thomas Kelly wurde 1893 in einer
konservativen Quäkerfamilie auf einer Farm in Ohio geboren. Sein Vater war
Carlton W. Kelly (gest. 1897), seine Mutter Madora E. (geb. Kersey). Nach dem
Tod des Vaters zog die Mutter 1903 mit den zwei Kindern (Thomas und Mary) nach
Wilmington. 1913 graduierte Kelly am Wilmington College mit einem Schwerpunkt
in Chemie (B.D.). Er ging anschließend 1913/14 an das Haverford College, wo er
maßgeblich von Rufus Jones (1863-1948) und seiner Interpretation des Quäkertums
als mystische Bewegung beeinflusst wurde.
Von 1914 bis 1916 arbeitete Kelly als
Lehrer für Naturwissenschaften am Pickering College in Ontario (Kanada). Am
Hartford Theological Seminary ließ er sich anschließend ab 1916 als Missionar
für den Fernen Osten ausbilden. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, entschied
sich Kelly zum Zivildienst in Europa und arbeitete für den YMCA (CVJM) in
England und anschließend bis Februar 1918 mit Kriegsgefangenen aus Deutschland.
Als Kelly in die USA zurückkehrte, schloss er 1919 mit einem B.A. seine
Ausbildung in Hartford ab und heiratete im gleichen Jahr Lael Macy (1893-1959).
Aus dieser Verbindung sind zwei Kinder, die Tochter Lois (geb. 1928) und der
Sohn Richard (geb. 1936) hervorgegangen.
Von 1919 bis 1921 unterrichtete
er Religion und Bibelkunde am Wilmington College. Dann kehrte er an das
Hartford Seminary zurück, um von 1921 bis 1924 eine Dissertation in Philosophie
anzufertigen. Dort wurde er Mitglied in der rassistisch orientierten Phi Beta
Kappa, einer elitären akademischen Seilschaft hauptsächlich Weißer, die noch
heute in den USA ihr Unwesen treibt. Nach Abschluss seiner Studien ging er
1924/25 mit seiner Frau nach Berlin und arbeitete fünfzehn Monate für American
Friend’s Service Committee (AFSC) im Zuge des Wiederaufbaus. Zurück in den USA
konnte er 1925 Arbeit am Earlham College in Richmond finden, wo er indische
Philosophie lehrte und sich vornehmlich mit der philosophischen
Erkenntnistheorie auseinandersetzte. In dieser Zeit kam es zu Konflikten mit
Kollegen und der Schulleitung, da Kelly nicht länger die evangelikalen
Grundsätze dieser Bildungseinrichtung vertrat. Zudem fühlte sich Kelly
unterfordert und hegte die Hoffnung, Philosophieprofessor an einer der
renommiertesten amerikanischen Universitäten zu werden. 1930 entschloss sich
Kelly zu einer zweiten Dissertation an der Universität Harvard. Gleichzeitig
unterrichtete er von 1931 bis 1932 am Wellesley College und predigte
sonntäglich an der Congregational-Church von Fall River, da ihm das Quäkertum,
wie er es in Amerika erlebte, zu versteinert erschien. Da keine der großen
Universitäten Interesse an Kelly zeigte, kehrte er enttäuscht nach Earlham
zurück und unterrichtete dort nochmals von 1932 bis 1935. Anschließend ging er
für zwei Jahre an die Universität von Honolulu, wo er sich erneut mit
fernöstlicher Philosophie beschäftigte. 1936 wurde er Professor in Haverford, wo
er bis 1941 lehrte. 1937 - Kelly hatte bereits die Arbeit seiner zweiten
Dissertation, eine Studie über Emile Meyerson (1859-1933) publiziert - fiel er
durch die mündliche Prüfung. Die anschließende Phase tiefer Depression führte
auch zu neuen spirituellen Einsichten. In den folgenden Jahren schrieb er seine
bedeutendsten Arbeiten, vor allem „A Testament of Devotion“ (1941), das zu
einem Klassiker mystischer Literatur wurde. Im Frühjahr 1938 entschloss er
sich, den deutschen Quäkern gegen den Nationalsozialismus beizustehen und ging,
mit Hilfe des AFSC, erneut für zwei Monate nach Berlin. Auf der Deutschen
Jahresversammlung hielt er im gleichen Jahr die Richard-L. Cary-Vorlesung zu
dem Thema „Das Ewige in seiner Gegenwärtigkeit und zeitlichen Führung“. In die
USA zurückgekehrt, setzte er seine Lehrtätigkeit in Haverford fort, diente der
dortigen Quäkerversammlung als Ältester und half, in Zusammenarbeit mit dem
AFSC ein Quäkerzentrum in Shanghai aufzubauen. 1941 verstarb er, nachdem er
schon Jahre zuvor immer wieder mit Krankheiten konfrontiert war, mit nur 47
Jahren nervlich am Ende an einem Herzinfarkt.
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