20121118

Thomas Kelly: ein Quäker - und Mystiker?

Am Mittwoch, den 28. November 2012, gibt es bei den Berliner Quäkern einen Gesprächsabend (bzw. wohl eher Leseabend) zu dem US-amerikanischen Quäker Thomas Kelly. Er zählt, mit Rufus Jones, zu den Vertretern der "Quäkermystik", die vor allem in Europa viele Anhänger hat, im evangelikalen Weltquäkertum aber kaum eine Rolle spielt. Es ist daher an der Zeit, sich etwas ausführlicher mit Thomas Kelly zu beschäftigen. Er hat zwar viel zu Mystik geschrieben, aber ob man ihn auch als solchen sehen sollte, vermag ich nicht zu entscheiden. Wer war Kelly eigentlich gewesen?

 Th. Kelly 1937.

Thomas Kelly wurde 1893 in einer konservativen Quäkerfamilie auf einer Farm in Ohio geboren. Sein Vater war Carlton W. Kelly (gest. 1897), seine Mutter Madora E. (geb. Kersey). Nach dem Tod des Vaters zog die Mutter 1903 mit den zwei Kindern (Thomas und Mary) nach Wilmington. 1913 graduierte Kelly am Wilmington College mit einem Schwerpunkt in Chemie (B.D.). Er ging anschließend 1913/14 an das Haverford College, wo er maßgeblich von Rufus Jones (1863-1948) und seiner Interpretation des Quäkertums als mystische Bewegung beeinflusst wurde.
Von 1914 bis 1916 arbeitete Kelly als Lehrer für Naturwissenschaften am Pickering College in Ontario (Kanada). Am Hartford Theological Seminary ließ er sich anschließend ab 1916 als Missionar für den Fernen Osten ausbilden. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, entschied sich Kelly zum Zivildienst in Europa und arbeitete für den YMCA (CVJM) in England und anschließend bis Februar 1918 mit Kriegsgefangenen aus Deutschland. Als Kelly in die USA zurückkehrte, schloss er 1919 mit einem B.A. seine Ausbildung in Hartford ab und heiratete im gleichen Jahr Lael Macy (1893-1959). Aus dieser Verbindung sind zwei Kinder, die Tochter Lois (geb. 1928) und der Sohn Richard (geb. 1936) hervorgegangen.
Von 1919 bis 1921 unterrichtete er Religion und Bibelkunde am Wilmington College. Dann kehrte er an das Hartford Seminary zurück, um von 1921 bis 1924 eine Dissertation in Philosophie anzufertigen. Dort wurde er Mitglied in der rassistisch orientierten Phi Beta Kappa, einer elitären akademischen Seilschaft hauptsächlich Weißer, die noch heute in den USA ihr Unwesen treibt. Nach Abschluss seiner Studien ging er 1924/25 mit seiner Frau nach Berlin und arbeitete fünfzehn Monate für American Friend’s Service Committee (AFSC) im Zuge des Wiederaufbaus. Zurück in den USA konnte er 1925 Arbeit am Earlham College in Richmond finden, wo er indische Philosophie lehrte und sich vornehmlich mit der philosophischen Erkenntnistheorie auseinandersetzte. In dieser Zeit kam es zu Konflikten mit Kollegen und der Schulleitung, da Kelly nicht länger die evangelikalen Grundsätze dieser Bildungseinrichtung vertrat. Zudem fühlte sich Kelly unterfordert und hegte die Hoffnung, Philosophieprofessor an einer der renommiertesten amerikanischen Universitäten zu werden. 1930 entschloss sich Kelly zu einer zweiten Dissertation an der Universität Harvard. Gleichzeitig unterrichtete er von 1931 bis 1932 am Wellesley College und predigte sonntäglich an der Congregational-Church von Fall River, da ihm das Quäkertum, wie er es in Amerika erlebte, zu versteinert erschien. Da keine der großen Universitäten Interesse an Kelly zeigte, kehrte er enttäuscht nach Earlham zurück und unterrichtete dort nochmals von 1932 bis 1935. Anschließend ging er für zwei Jahre an die Universität von Honolulu, wo er sich erneut mit fernöstlicher Philosophie beschäftigte. 1936 wurde er Professor in Haverford, wo er bis 1941 lehrte. 1937 - Kelly hatte bereits die Arbeit seiner zweiten Dissertation, eine Studie über Emile Meyerson (1859-1933) publiziert - fiel er durch die mündliche Prüfung. Die anschließende Phase tiefer Depression führte auch zu neuen spirituellen Einsichten. In den folgenden Jahren schrieb er seine bedeutendsten Arbeiten, vor allem „A Testament of Devotion“ (1941), das zu einem Klassiker mystischer Literatur wurde. Im Frühjahr 1938 entschloss er sich, den deutschen Quäkern gegen den Nationalsozialismus beizustehen und ging, mit Hilfe des AFSC, erneut für zwei Monate nach Berlin. Auf der Deutschen Jahresversammlung hielt er im gleichen Jahr die Richard-L. Cary-Vorlesung zu dem Thema „Das Ewige in seiner Gegenwärtigkeit und zeitlichen Führung“. In die USA zurückgekehrt, setzte er seine Lehrtätigkeit in Haverford fort, diente der dortigen Quäkerversammlung als Ältester und half, in Zusammenarbeit mit dem AFSC ein Quäkerzentrum in Shanghai aufzubauen. 1941 verstarb er, nachdem er schon Jahre zuvor immer wieder mit Krankheiten konfrontiert war, mit nur 47 Jahren nervlich am Ende an einem Herzinfarkt.

(Erstveröffentlichung BBKL, Bd. 29, 2008, Sp. 749-753)


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