Mehr durch Zufall habe ich im Hinterraum der Planckstraße
eine wohl neu erschienene Schrift „Lutz Caspers: 75 Jahre Quäkerhaus in Bad
Pyrmont“ entdeckt, zu der ich einige Anregungen geben möchte. Vielleicht wird
man einmal einen weiteren Satz drucken, und dann könnten einige der Fehler und
Ungenauigkeiten korrigiert bzw. der Inhalt verbessert werden.
Zunächst ist der Titel irreführend: Es geht nicht um die
letzten 75 Jahre, sondern, was ja auch Sinn macht, ebenso um die Baugeschichte
um das Jahr 1800. Also eigentlich: „208 Jahre Quäkerhaus“ – das Problem: ein „runder
Geburtstag“ kommt so nicht zustande.
Der Text erweckt den Eindruck, er sei neu verfasst worden,
ist es aber keineswegs. Nach längerem (mühseligem) Suchen konnte ich
herausfinden, dass er vermutlich erstmals 2008 in der Zeitschrift „Quäker“
erschienen war (S. 159-169). Als Sonderdruck ist das Heft aber nicht
gekennzeichnet.
Dann fällt auf, dass die bibliographischen Angaben unvollständig sind, ein Impressum sucht man vergebens, eine ISBN scheint nicht
vorhanden zu sein, und wann und wo das Heftchen nun erschienen ist, bleibt sein
Geheimnis.
Kommen wir zu einigen inhaltlichen
Punkten. Gleich zu Anfang bezeichnet Lutz Caspers die Schrift „Ursprung,
Fortgang und Verfassung der Quäkergemeinde“ von 1805 als „Büchlein“. Warum das?
Das „Büchlein“ bringt es auf immerhin 156 Seiten, das Heft (oder Heftchen) von
Lutz Caspers gerade einmal auf 12.
-Seite 2: es waren nicht die englischen Quäker, die den
Bauplatz in Pyrmont vorschlugen, (anstatt in der Quäkerkolonie Friedensthal),
sondern es war der Landesfürst, der (mehr oder weniger willkürlich) den
Bauplatz anordnete (Quelle: LSF, MS 127, Pyrmont, Nr. 40: Ludwig Seebohm an
George Stacey, 15.9.1799). Es ist richtig, wie Caspers schreibt, dass zur
Eröffnung wohl 1.000 Besucher anwesend waren, aber nicht bei einer einzigen
Andacht, sondern doch zu mehreren Andachten, die am Eröffnungstag vor- und nachmittags
sowie abends gehalten wurden.
-Seite 3: es ist falsch, dass das Quäkerhaus an Friedrich
Völker verkauft wurde. Zunächst heißt diese Person „Fritz“, und nicht „Friedrich“.
Käufer war vielmehr seine Frau, Antonie Völkers (mit „s“!), aus Hannover, die
Haus und Grundstück für 7.500 Mark erwarb (Quelle: LSF, Meetings for Sufferings,
Band LI, 1892-1896, S. 220).
-Seite 4: Es stimmt nicht, dass Emma Raeydt die „letzte
Überlebende“ der Friedensthaler Freunde gewesen sei, denn das war definitiv Wilhelm
Rasche (d.J.). Er hat seine Mitgliedschaft 1902 an die englische
Jahresversammlung übertragen lassen und trat erst 1949 in die Deutsche
Jahresversammlung ein. Als letzter der Mindener Quäker ist er für die
Geschichte der 1925 gegründeten Deutschen Jahresversammlung ein wichtiges, weil
einziges Verbindungsglied zur Quäkertradition des 19. Jahrhunderts. Ich könnte
noch viel über den faszinierenden Lebensweg dieser Person schreiben.
-Seite 5: es ist kein Geheimnis, dass es sich bei dem
Verfasser „H. L.“ um Horst Legatis handelt und man sollte dies auch angeben, um die Leistung anderer Autoren auch zu würdigen.
-Seite 7: Lutz Caspers erwähnt, der Bau sei 1933/34 von
deutscher Seite mit nur 2.500 Reichsmark finanziert worden (den Rest trugen
wieder einmal die ausländischen Quäker). 1932 bis 1934 sollen die Einnahmen
schon 46.330 RM betragen haben – ich kann mir dies nicht vorstellen, selbst
wenn man die Inflation herausrechnet. Welche Einnahmen sollen beispielsweise
1932 geflossen sein, als das Haus noch gar nicht stand? Als Einnahmen käme
höchstens Miete/Pacht in Frage, aber mir ist nicht bekannt, dass das Quäkerhaus
schon 1933/34 vermietet wurde, und dabei noch einen so sagenhaften Mietzins
erzielte.
-Seite 7: Leonhard und Mary Friedrich zogen zwar in der Tat
1933 nach Pyrmont, allerdings aus privaten Gründen, und keinesfalls, um durch
eine Art Hausbesetzung das Quäkerhaus vor der Nutzung durch die Hitlerjugend zu
schützen – diese hätte sich von zwei älteren Quäkern kaum abhalten lassen, und
später kam es ja auch, wie Lutz Caspers richtig schreibt, zur Nutzung
durch die Hitlerjugend.
-Seite 7: „Ein längerer Artikel im QUÄKER von Anfang 1934
zeigt vier Abbildungen, die auch als Postkarten erhältlich gewesen sein
sollen“: „gewesen sein sollen“ ist überflüssig – sie waren es; ich habe selbst
solche Postkarten in meinem Archiv.
-Seite 8: interessant finde ich die Deutung des „angelassenen
Lichtes“ im Quäkerhaus: die Gestapo hatte (wieder einmal) das Quäkerhaus
durchsucht, und dabei das Licht absichtlich angelassen, um den damaligen
Bewohnern einen Verstoß gegen das Verdunkelungsgesetz vorzuwerfen. Keinesfalls
war es so, wie Lutz Caspers schreibt, dass die Gestapo lediglich aus
Nachlässigkeit das Licht abzuschalten vergessen hätte. Ich kann verstehen, dass
man die Gestapo heute als „dusselig“ darstellen möchte, doch leider war sie das
allzuoft nicht gewesen.
-Seite 9: Lutz Caspers gibt an, dass das Quäkerhaus schon
1944 unter Denkmalschutz gestanden hätte. Womit ist das belegt? Selbst in den
1980er Jahren stand das Quäkerhaus noch nicht unter Denkmalschutz.
Viele interessante Punkte fehlen in der Schrift: etwa, das
bei dem Bau ausländische Spendengelder unterschlagen wurden, was dann zu
jahrelangen Auseinandersetzungen führte, bis Stephen Grellet die zerstrittenen
Quäker wieder vereinen konnte. Auch sind der Besuch Goethes oder der Königin
Luise mit keinem Wort erwähnt, offensichtlich unwichtig. Die Ausführungen zur
NS-Zeit sind zwar durchaus interessant, aber etwas zu weitschweifig – die Jahre
nach 1945 sind auf der letzten Seite in wenigen Worten zusammengefasst. Hat
sich seit 1945 nichts mehr getan im Bad Pyrmonter Quäkerhaus?
An diesem Punkt können die Meisten mit dem Lesen aufhören –
die folgenden Punkte sind nur noch für Buchbegeisterte oder Fußnotenfetischisten
interessant. Was mich am meisten beim Lesen gestört hat, ist der überflüssige
Gebrauch des Konjunktivs: „solle“, „habe“ etc.
Dadurch entsteht (bewusst oder unbewusst?) der Eindruck, als ob die
eigenen Quellen, die Caspers heranzieht, nicht seriös oder zuverlässig seien.
Ebenso gewöhnungsbedürftig ist der ständige Tempuswechsel zwischen Präsens und
Imperfekt – da hätte man sich besser für eine einheitliche Zeitform entscheiden
sollen.
Bei manchen Zitaten (etwa S. 11 „die unbenutzten ... Bibliothek
zu überlassen“) wurde die Belegstelle vergessen, an anderen Stellen wird immer
wieder ein „Archiv“ genannt, ohne dass an einer Stelle einmal dem Leser
verraten würde, um welches Archiv es sich handelt. Ist es der Bestand im
Evangelischen Zentralarchiv, die Friends House Library oder das Privatarchiv
von Lutz Caspers? Ich bin daraus leider nicht schlau geworden.
Der ganze Anmerkungsapparat müsste dringend überarbeitet
werden – so gehört hinter jeder Anmerkung ein Punkt. Viele Angaben sind einfach
nicht nachvollziehbar, ein Beispiel: Anmerkung 23: „Dok MS (vgl. Archiv)
Kostenanschlag 22. April 1940“ – wo findet man denn dieses „Dok MS“, und mit
welchem Archiv kann man den „Kostenschlag“ (korrekt müsste es
„Kostenvoranschlag“ heißen) denn vergleichen?
Zuletzt noch ein wichtiger Hinweis: Fremde Abbildungen
müssen mit Abbildungsnachweisen versehen werden. Auch Quäker sind davon nicht
ausgenommen. In dem Heft sind mehrere Abbildungen, von denen Lutz Caspers
definitiv nicht der Rechteinhaber ist (so gehört die Abb. auf S. 3 dem Museum
Bad Pyrmont, die auf S. 11 müsste, wie viele andere, der DJV gehören), aber
erwähnt ist es mit keinem Wort. Der „Fotohinweis“ auf Seite 12 gibt lediglich
den Inhalt des Bildes wieder, aber nicht den Urheber. Wie man es richtig macht,
ist hier nachzulesen: Bildrechte.
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