Nächsten Sonntag, 27. Mai 2012, ist es wieder einmal so weit: Pfingsten ante portas. Was haben Quäker zu diesem Tag, zu diesem Ereignis zu sagen? Hören wir Ruth E. von Gronow (1887-1972), die als Theologin in den 1950/60er Jahren Bibelkurse unter Quäkern gehalten hat und sich immer wieder mit christlichen „Kernthemen“ auseinandersetze. Von ihr, ebenso wie von Emil Fuchs, existiert eine gesamte Exegese des NT, die handschriftlich zirkulierte und bis heute nicht veröffentlicht wurde.
Dies ist keine Schneeballschlacht, sondern so stellte man sich Pfingsten vor: der Heilige Geist zeigt sich in den weißen Kugeln, die den Heiligen auf die Köpfe fallen (Klosterkirche Dillingen).
Pfingsten
Der erste Bericht in unserem Neuen Testament ‚nach Matthäus’
überschrieben, lässt eine Eigenart der Sprechweise in Jesu Umwelt deutlich
erkennen. Es ist dort nicht erlaubt, den Namen Gottes anzusprechen oder
auszuschreiben. So heißt es zum Beispiel: ‚Herrschaft der Himmel’ (auch
‚Himmelreich’ übersetzt), wo wir ‚Herrschaft Gottes’ erwarten würden.
Freunde aus dem In- und Ausland haben wiederholt auf die
Schwierigkeit aufmerksam gemacht, die der Ausdruck ‚Sohn Gottes’ im Hinblick
auf Jesus bereitet. Würden wir einer Verständigung vielleicht näher kommen,
wenn auch wir die Gepflogenheit aus Jesu Umwelt üben würden und den Namen
Gottes gar nicht mehr aussprechen – sowohl im Hinblick auf Jesus wie auch sonst
immer?
Wir Freunde wissen um den Wert des Schweigens. Sollten wir
den Gebrauch des Wortes einschränken, auf begrifflich Fassbares, aber Schweigen
bewahren bei darüber Hinausgehendem?
Alle von Jesus in Leben und Lehre überlieferten
Unterweisungen zielen auf zwischenmenschliche Beziehungen. Ob die Jüngerschaft
sich bewährt am Verhalten gegenüber ‚dem Geringsten unter den Brüdern’ (Mt. 25,
Vers 40); ob daran, wie ‚ihr euch untereinander liebt’ (Joh. 13, Vers 35); ob
am Befolgen des Beispiels vom ‚Barmherzigen Samariter’: ‚So gehe hin und tue
desgleichen’ (Lukas 10, Vers 37), dem stimmen die Freunde stets zu. Ein jedes
dieser Beispiele ist voll verständlich, ohne dass eine Lehre über Gott
herangezogen werden müsste. Jedes Mal geht es darum, zwischenmenschliche
Beziehungen herauszulösen aus Schranken kultischer, ständischer,
wirtschaftlicher Art, die Feindschaft hervorrufen. Der gemeinsame Ursprung
aller Menschen, anschaulich gemacht unter dem Bilde des allen gemeinsamen
‚Vaters’ ruft zu wahrhaftem Freund-Sein aller Menschen untereinander auf.
Das Pfingstfest gilt von alters her als Fest der
Verständigung, der Gemeinschaft im heiligen Geiste’.
Unsere Einsicht in den
Wert des Schweigens lässt uns auch die Grenzen des Sagbaren erkennen. Die
Geschichte der Menschheit zeigt leider: Lehren über Gott haben nie verhindert,
‚im Namen Gottes’ mörderische Waffen zu segnen, ob Pfeil oder Bogen, ob
Atombomben. Den frommen Araber so wenig wie den Gläubigen Abendländer haben
ihre Glaubenssätze über Gott daran gehindert, sich am Sklavenhandel zu
bereichern. Eine ‚Umwertung der Werte’ im Hinblick auf unser Verhalten zu
unseren Mitmenschen erfolgt auf Grund neuer Erkenntnisse über menschliche
Gemeinschaft. Solche Erkenntnisse sind aber keineswegs überall Lehren über Gott
entnommen worden.
Kommen wir einer menschlichen Gemeinschaft, wie Jesus sie
lebt, näher, wenn wir gleich ihm den Namen Gottes nicht aussprechen?
Entschließen wir uns, unsere Mitteilung im Wort einzuschränken auf Aussagen
über Menschliches? Dieser Entschluss würde uns den Zugang dazu öffnen, den
verschiedenen Menschen unserer Umwelt wahrhaft Freunde zu werden. Die
verschiedenen Ausdrucksformen, in die ein Jeder seine höchsten Erkenntnisse
kleiden möge, errichten dann keine Schranken mehr. Auf eben diesem Weg kommen
wir dem näher, der die klare Gesetzmäßigkeit der ‚Herrschaft der Himmel’
allüberall für das Menschenleben unter die Herrschaft von Wahrheit und Liebe
gestellt weiß.
Uns Freunden ist der Eid verwehrt, weil wir die
Wahrhaftigkeit einer jeden Aussage für unerlässlich halten. Sehen wir jetzt,
drei Jahrhunderte nach Gründung der ‚Gesellschaft der Freunde’, für uns den
Zeitpunkt gekommen, wo wir nach dem Vorbild Jesu uns auch des Redens über Gott
enthalten sollten?
Aus: Quäker, XXXIV, 6, 1960, S. 85-86.
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