Der Berliner Quäkerblog bringt hin und wieder Sprüche, die fast immer von angloamerikanischen Quäkern stammen - fast könnte man meinen, es
würde in Berlin keine Quäker geben. Wer die
Sprüche für die Online-Community auswählt, ist leider nicht bekannt.
Jetzt wurde unter der Überschrift „Die Bibel ist nicht hochheilig“ (wer sagt, dass sie hoch heilig ist? Ist sie nun heilig, aber nicht „hoch
heilig“? Was versteht man überhaupt unter hoch heilig?) folgender bibelkritischer
Spruch geschaltet:
„Die Bibel ist nicht hoch heilig. Sie kommt aus Zeiten, die
sich sehr von unseren unterscheiden, mit einer ganz anderen Auffassung vom
Menschen. Sie enthält nicht die absolute, buchstäbliche Wahrheit (…) Aber
wichtiger als alles andere ist die Verankerung des Göttlichen, die in der Tiefe
eines jeden Menschen gefunden werden kann; dies kann nicht in Worte gefasst
werden, muss im Leben und in zwischenmenschlichen Beziehungen ausgedrückt
werden.“
Ein Kommentar ist nicht beigegeben, obwohl man zu solch
einem Spruch wirklich einiges sagen könnte. Ich werde hier nur einige historische Bemerkungen hinzufügen, die nicht
jedem geläufig sind:
Über die Notwendigkeit, in der Bibel zu lesen, bestand unter
deutschen Quäkern im 18. und 19. Jahrhundert immer Einigkeit, nicht aber über
die Häufigkeit. 1820 hatten die Engländer noch erwartet, dass die Quäker-Familien
in Minden, Pyrmont und Umgebung sich täglich versammeln würden, um in der Bibel
zu lesen. Verantwortlich dafür waren die „Häupter der Familien“, also die
ältesten männlichen Personen in den jeweiligen Familien (Frauen konnten keine „Familienhäupter“
sein, auch nicht bei Quäkern). Diese rigide Forderung aus England ließ sich
jedoch in Deutschland nicht durchsetzen. In den Familien der Quäker sollte dann
seit 1823 gemeinschaftlich an einem Tag in der Woche aus Quäkerschriften und
vor allem aus der Bibel gelesen werden, vornehmlich übrigens aus den Psalmen
und aus den Evangelien. Dazu wurde die Quäker-Bibel benutzt, die kürzlich aufgefunden worden ist.
Auch Dienstboten nahmen an den Treffen teil, oder mussten teilnehmen,
wenn auch nicht immer. 1854 wurde allerdings davon gesprochen, dass das
tägliche Lesen der Bibel, das es immer noch oder wieder gab, jetzt vernachlässigt
werde. Gleichzeitig war es aber Gemeindemitgliedern untersagt, Belletristik zu
lesen – so beispielsweise hätte man als Quäkerkind den Abenteuerroman „Moby-Dick“
nicht lesen und schon gar nicht kaufen dürfen.
1865 wurde daher versucht, am Sonntagnachmittag eine
gemeinschaftliche Leseversammlung abzuhalten, auf der auch Quäkerliteratur
vorgetragen wurde. Dann wiederum hat es um 1875 in Minden eine Bibelstunde
gegeben, die am Donnerstagabend gehalten wurde. Die sonntäglichen
Nachmittagsversammlungen wurden schließlich gegen Ende der 1880er Jahre ganz eingestellt,
es war offensichtlich nicht länger möglich oder gewollt, nach der Andacht am
Morgen auch noch den Nachmittag religiösen Zwecken zu widmen.